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Sport: Sauerkraut mit Riesling

Wie die WM-Auslosung in England ankam

Es lebt sich ganz komfortabel in der Vergangenheit, wenn sie nicht so weit zurückliegt. Noch immer tragen englische Fußballfans gern T-Shirts, die an das 5:1 ihrer Elf vor vier Jahren in München gegen Deutschland erinnern. Am Freitagabend stand nun die Gruppen-Auslosung für die WM 2006 an, und da wollten die höflichen Engländer den WM-Gastgeber nicht beleidigen. Der große Renner auf der Party der „Londonenglandfans“ sind T-Shirts mit dem Aufdruck „3:2 – don’t cry for me“, Reminiszenz an einen Sieg vor ein paar Wochen über den Erzrivalen Argentinien. Mark Perryman verkauft die Hemden zum Sonderpreis von fünf Pfund. Perryman ist Dozent an der Universität Brighton und Fan von Tottenham Hotspur, wo einst der heutige Bundestrainer Jürgen Klinsmann stürmte.

Wir sind im „Offside“, einem Pub mitten in London, in Islington, wo Tony Blair noch vor ein paar Jahren gewohnt hat. 200 Fußballfans feiern bei Würstchen, Schwarzbrot, Sauerkraut und Riesling WM-Auslosung. Die „Londonenglandfans“ treffen sich einmal im Monat und wollen demnächst die Sprache des WM- Gastgebers lernen.

Die Auslosung verläuft ganz im englischen Sinne, auch die vermeintlich leichte deutsche Gruppe wird wohlwollend aufgenommen. Mark Perryman sagt: „Ihr Deutschen seid die einzige Mannschaft, gegen die wir am 9. Juli spielen wollen.“ Am 9. Juli findet in Berlin das Finale statt. In der Tat können Deutschland und England bei dieser WM erst im Endspiel aufeinander treffen, wenn beide Teams ihre Vorrundengruppen gewinnen. Sollten aber die Engländer nur auf Platz zwei landen, würden sie schon im Achtelfinale gegen einen möglichen Gruppensieger Deutschland spielen. Ausgerechnet in München, der Stätte des 5:1.

Dass es zu einem frühen Duell mit den Deutschen kommen könnte, haben die Engländer Pelé zu verdanken. Der Brasilianer lost ihnen den Gegner zu, mit dem sie keine guten Erfahrungen gemacht haben. „Sweden, again it’s Sweden“, flüstert der Kommentator im Fernsehen. Schweden ist nicht nur die Heimat von Englands Trainer Sven-Göran Eriksson, es ist auch ihr Angstgegner. Der letzte Sieg über die Skandinavier liegt 37 Jahre zurück.

Der englische Fußball-Verband (FA) hat vor der Reise nach Deutschland ganz andere Sorgen. Ganz offiziell hat FA-Chef Brian Barwick am Freitag die englischen Fans ersucht, in Deutschland doch bitte nicht den in Fußballkreisen populären Song „10 German Bombers“ zu singen, jenes Lied, bei dem sich die Zahl deutscher Flugzeuge in jeder Zeile um eines verringert, bis am Ende gar keins mehr da ist. Mark Perryman hält das für „nicht besonders klug. Wer den Song bisher nicht kannte, der weiß jetzt Bescheid. Und verbotene Lieder singen nicht nur englische Fans ganz besonders gern.“

Es ist diese nicht mehr so junge Vergangenheit, mit der sich die Engländer immer noch ganz gern auseinander setzen. Da passt es, dass ihnen das Los ein Spiel in Nürnberg beschert hat, am 15. Juni gegen Trinidad & Tobago. In keiner Zeitung fehlt der Hinweis, dass Nürnberg die Stadt der NSDAP-Reichsparteitage war. „So ein Blödsinn“, sagt Perryman. „Wir fahren doch nicht zu einer WM, um uns zu erinnern, dass wir vor 60 Jahren den Faschismus besiegt haben.“ Viele englische Fans haben ein ganz anderes Problem mit Nürnberg. Das Frankenstadion gehört zu den kleinsten bei der WM, es wird nicht genug Tickets geben. Perryman weiß auch schon, wie sich das Problem lösen ließe: „Am gleichen Tag spielt Schweden gegen Paraguay in Berlin. Kann die Fifa nicht beide Spiele tauschen?“

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