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Moe Madness. Mit der University of Michigan erreichte Wagner das Finale der College-Meisterschaft.

© Alex Gallardo/dpa

Savchenko, Massot, Kerber, Zverev: Das sind unsere Gewinner des Sportjahres 2018

Rasant aufgestiegen, alle begeistert – oder immer wieder ins Turnier geschlichen. Die vergangenen zwölf Monate waren voller Höchstleistungen und Kuriositäten.

MORITZ WAGNER

Schon vor einigen Jahren wussten sie in Berlin, was für einen speziellen Basketballer sie da in ihrem Nachwuchsteam hatten. Moritz Wagner ging noch zur Schule, zeigte aber auch auf dem Parkett vollen Einsatz. Er kam früher zum Training, er feilte weiter an seinen Fähigkeiten, wenn seine Mitspieler schon lange unter der Dusche standen, und wurde 2014 mit 17 Jahren zum damals jüngsten Bundesliga-Spieler der Vereinsgeschichte. „Die Jungs hatten damals schon ein großes Pensum“, erzählte Albas Jugendtrainer Sebastian Trzcionka vor einigen Monaten. „Moritz war keine Belastung zu hoch.“

Heute kommt Moritz Wagner immer noch früh in die Halle. Doch alles ist ein bisschen größer, ein bisschen schriller. Er ist mittlerweile 21 Jahre alt und wenn er mit dem Training beginnt, ist da meist schon jemand, der noch früher losgelegt hat. „Ich war um sieben in der Halle und im Kraftraum war LeBron schon seit einer Dreiviertelstunde am Arbeiten“, hat Wagner bei „Dazn“ von seinem ersten Treffen mit LeBron James erzählt. „Ich weiß noch, wie mein Herz geschlagen hat. Ich bin halt auch ein Fan.“

Ein Fan, der seit einem halben Jahr für eines der legendärsten Basketball-Teams der Welt spielt. Ende Juni haben die Los Angeles Lakers den Berliner im Draft, der jährlichen Talentauswahl der US-Profiliga NBA, an 25. Stelle ausgewählt. Familie und Freunde hatten ihn nach New York begleitet und die erste Umarmung galt seinem Bruder Franz, der ihn mittlerweile als jüngster Alba-Spieler abgelöst hat. Mehrmals die Woche telefonieren die zwei miteinander. „Er musste sich erst mal an die Situation gewöhnen, an das ganze Leben in LA“, sagt Franz Wagner.

Eine große Show

Bei diesem Prozess hilft Moritz Wagner seine offene, selbstbewusste, aber doch bodenständige Art. Lakers-Chef Earvin „Magic“ Johnson, in den Achtzigern selbst fünf Mal Meister mit den Lakers, zeigte sich bei der Verpflichtung Wagners vor allem von dessen mentalen Fähigkeiten beeindruckt. „Er ist ein richtig intelligenter Basketballer und ein Arbeitstier“, sagte Johnson. Dass er plötzlich neben Legenden seines Sports wie Johnson oder James steht, muss Wagner aber immer noch verarbeiten. Los Angeles habe das Klischee, eine große Show zu sein. „Alle fahren das geilste Auto, alle kennen alle“, sagt Wagner. „Das hat sich bestätigt.“

Es ist schon ein ziemlicher Kontrast zur University of Michigan, wo er die letzten drei Jahre verbrachte. Mit den Wolverines erreichte er im Frühjahr bei der „March Madness“ das Finale der College-Meisterschaft. In Michigan brach spätestens nach dem Halbfinale, als er als erster Spieler seit Larry Bird und Hakeem Olajuwon über 20 Punkte und 15 Rebounds erzielte, die „Moe Madness“ aus. Daran änderte auch die Niederlage im Endspiel vor fast 70.000 Zuschauern nichts.

Bei den Lakers-Fans hat Wagner solch eine Begeisterung noch nicht ausgelöst. Nach einer Verletzung in der Vorbereitung befindet er sich mitten im schwierigen Anpassungsprozess an die NBA. Anfang Dezember gelangen ihm seine ersten Punkte, ganz zur Freude seiner Mitspieler, die ihn feierten, als hätten sie die Meisterschaft gewonnen. „Er hat gerade gelernt, wie man Fahrrad fährt“, sagte LeBron James metaphorisch. Moritz Wagner fährt noch nicht das dickste Auto, es ist aber ein Anfang in der Glitzerwelt der LA Lakers. Julian Graeber

Eine Kür verzaubert

Zusammen mit Bruno Massot gewann Aljona Savchenko endlich die so lang ersehnte Goldmedaille.
Zusammen mit Bruno Massot gewann Aljona Savchenko endlich die so lang ersehnte Goldmedaille.

© imago/Chai v.d. Laage

ALJONA SAVCHENKO/BRUNO MASSOT

Es ist dieser eine Moment, als der kraftvoll bezaubernde Auftritt auf dem Eis vorbei ist. Dieser Traum von Kür. Die Zuschauer erheben sich, klatschen begeistert und voller Bewunderung. Aljona Savchenko und Partner Bruno Massot gewinnen Gold aus scheinbar auswegloser Situation. Die Deutsche aus der Ukraine und der Franzose mit deutschem Ausweis tragen das Eiskunstlaufen im tristen Olympiapark von Gangneung in eine andere Welt.

Es ist ein Triumph mit Ansage geworden. Nach dem verpatzten Kurzprogramm liegen Savchenko und Massot vor der Kür nur auf dem vierten Platz. Doch das drücken sie weg: Beim Warmmachen vor dem Auftritt der letzten vier Paare ist Savchenko diese energische Entschlossenheit anzumerken. Die kleine Frau läuft mit Tunnelblick übers Eis, mit raumgreifenden Schritten, ruckigen Bewegungen, fast in der Manier einer Eishockeyspielerin.

„Platz da, jetzt komme ich“, heißt das in Worten. Das illustriert Selbstbewusstsein, die Konkurrenz muss das lesen. Was dann kommt, ist der Traum. Das Paar schwebt zu Gold, die letzten drei Paare kommen nicht mehr ran. Über den Moment, der die Menschen an diesem 15. Februar 2018 von den Sitzen reißt, sagt die Siegerin: „Das war der Moment meines Lebens.“

Bloß nicht wieder Bronze

Es ist eine große Geschichte, und nur ein Teil davon war den vielen Menschen in der Halle und vor den Fernsehgeräten zuvor bekannt. Savchenko hat mehr als ein Jahrzehnt lang für dieses olympische Gold gekämpft. 2014 in Sotschi stürzte sie an der Seite ihres damaligen Partners Robin Szolkowy und sagte: „Bronze ist scheiße!“ Den dritten Platz hatte sie schon 2010 bei den Spielen von Vancouver belegt – den wollte sie nicht haben in Südkorea.

Es kommt nicht oft vor, dass eine Sportart, die kaum echte Fans hat, ein großes Publikum erreicht. Dass sie Menschen zu Tränen rührt. Es ist die absolute Ausnahme geworden, dass der Sport solche Emotionen wecken kann. Dass halb Deutschland von einer Kür im Eiskunstlaufen redete, hatte es vor dem Triumph von Südkorea zuletzt 1988 gegeben. Katarina Witt bewegte sich damals in Calgary derart grazil als „Carmen“ über das Eis, dass die Zuschauer in der Halle zunächst vor Bewunderung stumm blieben.

Im März 2018 wurden Savchenko und Massot in Mailand auch noch zum ersten Mal gemeinsam Weltmeister. Inzwischen machen sie Dienst am Publikum bei Eislaufshows. Die in Oberstdorf lebende Sportlerin sagt zum Mangel im Nachwuchs im deutschen Eiskunstlauf: „Eiskunstlauf in Deutschland wird nicht unterstützt. Die Grundlage ist, dass man von klein auf keine Unterstützung kriegt.“ Savchenko will 2022 in Peking noch einmal angreifen, ohne Bruno Massot, der hat Rückenbeschwerden. Aber was auch noch kommt, die beiden haben, wie Savchenko sagt, „eine wunderschöne Geschichte geschrieben“. Claus Vetter

Deutsche Tennisgeschichte geschrieben

Geschafft. Angelique Kerber mit der Wimbledon-Trophäe.
Geschafft. Angelique Kerber mit der Wimbledon-Trophäe.

© Marijan Murat/dpa

ANGELIQUE KERBER

Es ist exakt 17.22 Uhr Ortszeit an einem sonnigen Juli-Samstag in Wimbledon. Angelique Kerber schlägt auf zum Titelgewinn, auf dem Centre Court der berühmtesten Tennisanlage der Welt ist es mucksmäuschenstill. Der Ball dreht sich mit viel Schnitt in den Körper von Serena Williams. Gerade so kommt die US-Amerikanerin mit der Rückhand zum Return, doch der schafft es nicht mehr über das Netz. Auf der anderen Platzseite kippt Angelique Kerber vornüber auf den Rasen und weiß in diesem Moment, dass sie den größtmöglichen Triumph in ihrem Sport errungen hat: Wimbledon-Siegerin – mehr geht nicht. „Ein Traum wird wahr“, sagt Kerber bei der Ehrung auf dem Platz, ihr Gesicht strahlt freudetrunken, die Stimme ist ein wenig zittrig.

Neben Serena Williams besiegt die Deutsche an diesem Tag auch ihre Zweifel – endgültig. Nach einer furiosen Saison 2016 mit zwei Grand-Slam-Titeln und dem Aufstieg zur Nummer eins der Tenniswelt stürzte Kerber ein Jahr später böse ab. Von 53 Turniermatches gewann sie nur 29 und blieb ohne Titel. In der Weltrangliste ist sie Ende 2017 nur noch die Nummer 21 – nachdem sie zuvor fünf Saisons in Folge immer zu den besten zehn Spielerinnen gehört hatte.

Kerber wagt den Neuanfang und trennt sich von ihrem langjährigen Coach Torben Beltz. Ein Schritt, der ihr nicht leicht fällt. Mit dem neuem Trainer Wim Fissette läuft es 2018 von Beginn an besser. Sie gewinnt die ersten zehn Matches der neuen Saison, erst im Halbfinale der Australian Open unterliegt sie in einem dramatischen Spiel der rumänischen Weltranglistenersten Simona Halep mit 7:9 im Entscheidungssatz. Kerber ist die Enttäuschung danach anzusehen und doch weiß sie, dass sie wieder zu Großem fähig ist.

Kerber zermürbt ihre Gegnerinnen

Mit den Siegen der ersten Wochen kehrt das Selbstvertrauen bei Kerber zurück, in der Rangliste klettert sie schon vor Wimbledon dank konstanter Leistungen wieder zurück in die Top Ten. Zwar verliert sie auch bei den French Open gegen Halep, doch aus dem Erreichen des Viertelfinales zieht sie weitere Kraft. Schließlich steht die Rasensaison bevor, der Belag passt nahezu perfekt zu ihren flachen Grundlinienschlägen.

Und in London beweist sie schließlich wieder einmal, dass sie über ein ganz besonderes Talent verfügt: Kerber zwingt ihre Gegnerinnen zu Fehlern, die die gegen andere Spielerinnen nicht begehen würden. So wie Serena Williams, die im Finale von Wimbledon 24 leichte Punkte verschenkte – deutlich mehr als in ihren anderen Matches. Genau das gleiche Problem hatten vor Williams auch Kerbers Kontrahentinnen in den Runden zuvor. Spiele gegen die gebürtige Bremerin sind unangenehm, weil jeder weiß, dass Kerber keinen Ball verloren gibt und sie deswegen noch näher an die Linie gehen müssen und noch härter zuschlagen wollen. Das Ergebnis sind Fehler. Kerber macht davon einfach weniger und kompensiert damit den Fakt, dass sie selbst über keine wirklichen Gewinnschläge verfügt. Stattdessen zermürbt sie ihre Gegnerinnen.

Kerber ist die größte Kämpferin im Frauentennis, sie hat sich diesen Ruf über Jahre erarbeitet und wer sich nach einer desolaten Saison wie der im Jahr 2017 wieder zurückarbeitet bis zum Titel in Wimbledon, der hat sich dieses Image auch verdient. Kämpfen ist dabei Kopfsache, Kerber musste erst wieder lernen, dass sie nicht immer nur reagiert, sondern auch selbst öfter in die Offensive geht. Erreicht sie diese Balance, ist sie nur schwer oder – wie in diesem Jahr in Wimbledon – gar nicht zu schlagen.

Wimbledon bleibt ihr für immer

Allerdings fordert ihr Spiel bedingungslose Hingabe. Lässt sie mental nur ein bisschen nach, macht sich das sofort bemerkbar- Zu sehen war dies in der zweiten Saisonhälfte 2018. Die Müdigkeit hatte sich vom Kopf aus in Kerbers Körper ausgebreitet. Nur sieben Matches konnte sie bis zum Saisonende noch gewinnen, ein weiterer großer Erfolg war nicht mehr dabei. Stattdessen trennte sie sich überraschend von Trainer Fissette, von „unterschiedlichen Auffassungen“ in der Zusammenarbeit war die Rede. Womöglich haperte es im zwischenmenschlichen Bereich. Das sollte ihr mit dem neuen Coach Rainer Schüttler nicht passieren, mit dem früheren Profi will sie eine andere Ebene finden, schließlich soll 2019 kein zweites 2017 werden.

Der eine oder andere große Sieg, dafür möchte sich Angelique Kerber auch mit fast 31 Jahren noch einmal schinden. Doch selbst wenn sich die ganz großen Titel nicht mehr einstellt, der Triumph von Wimbledon bleibt ihr für immer. Jörg Leopold

Fans, Gegner und sich selbst begeistert

Alexander Zverev gewann bei den ATP-Finals seinen ersten großen Titel.
Alexander Zverev gewann bei den ATP-Finals seinen ersten großen Titel.

© picture alliance/dpa

ALEXANDER ZVEREV

Alexander Zverev konnte es nicht fassen. Mitten hinein in seine Siegerrede nach dem Gewinn der ATP-Finals in London erklang plötzlich Musik. Die brasilianische Tennis-Legende Gustavo Kuerten überreichte ihm grinsend eine Flasche Champagner, während Zverev immer wieder hilfesuchend auf sein Mikrofon deutete.

Endlich hatte die Hallenregie ein Einsehen und drehte den Ton wieder ab. „Ich war noch gar nicht fertig, aber danke für den Champagner“, sagte der Deutsche und hatte die Lacher auf seiner Seite. Schon mit seinen Worten zuvor hatte er viele in der Londoner Großarena überrascht. Seinen Dank an Gegner, Team und Fans hatte er derart humorvoll ausgedrückt, dass sich mancher wunderte: Ist das wirklich der Alexander Zverev, der zuweilen schon mal arrogant und schnöselig daherkommt?

Nun ist es immer leichter nach großen Siegen große Reden zu halten als nach bitteren Niederlagen. Trotzdem hat Zverev mit seinem Auftreten nach dem sensationellen Endspiel-Erfolg gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic mehr gewonnen als nur einen wichtigen Titel. Zverev hat ein Gesicht gezeigt, das ihm viel besser steht als das des Jungstars, der sich nicht immer so benimmt, wie das eigentlich allgemein erwartet wird.

Zverev, der Sympathieträger? Noch tags zuvor hatten ihn viele Zuschauer in London nach seinem Halbfinalsieg gegen Roger Federer ausgebuht, weil er einen Punkt im Tiebreak des zweiten Satzes regelkonform unterbrochen hatte, als ein Ballkind die Filzkugel während einer Rallye verloren hatte.

Noch schlimmer war sein Ausraster vier Monate zuvor in der dritten Runde von Wimbledon, als er an Ernests Gulbis scheiterte und während des Matches einen Linienrichter mit den Worten beschimpfte: „Was er sagt, ist uninteressant. Er ist ein Linienrichter. Er will Aufmerksamkeit, weil er mal auf so einem großen Court in Wimbledon steht. Er hofft wohl, dass man sich so sein Gesicht merkt.“ Zverev hatte mal wieder ein Image bedient, dass er eigentlich gar nicht bedienen will.

Zverev ist ehrlich und direkt – damit stößt er an

Anderen Sportlern wird mitunter vorgeworfen, sie seien zu glatt, würden nur PR-Sprech von sich geben und in keinster Weise authentisch rüberkommen. Der 21-jährige Hamburger hingegen ist ehrlich und direkt – damit stößt er an, besonders weil sich alles viel zu oft um seine Niederlagen dreht und seine schon in jungen Jahren guten bis sehr guten Ergebnisse aus seiner Sicht nicht genug gewürdigt werden.

Zverevs Problem sind die Grand-Slam-Turniere, bei denen er auch 2018 wieder regelmäßig früh scheiterte. Nach dem Drittrundenaus bei den Australian Open gegen den Südkoreaner Chung Hyeon Anfang des Jahres sagte er: „Ich muss herausfinden, was mit mir bei den Grand Slams in den entscheidenden Momenten passiert.“ Gelungen ist es ihm in den folgenden Monaten dann allerdings nicht. In die French Open ging er als Nummer zwei der Setzliste, nach mehreren Kraftakten in der ersten Turnierwoche schaffte er es körperlich ausgelaugt bis ins Viertelfinale – sein bestes Karriereergebnis bei einem der vier wichtigsten Turniere im Tenniszirkus und doch nicht das, was er sich insgeheim selbst erträumt hatte.

In Wimbledon und bei den US Open war dann jeweils schon wieder in Runde drei Schluss. In New York wurde er vom fast 13 Jahre älteren Philipp Kohlschreiber gerade in spieltaktischer Hinsicht regelrecht vorgeführt. Dass er zwischen Mai und August drei Turniere gewann und sich als jüngster Spieler der Weltklasse im zweiten Jahr in den Top Ten der Rangliste etablierte, ging fast ein bisschen unter.

Die Altstars sehen ihn als potenziellen Nachfolger

Zverev hat immer wieder betont, dass er noch viel Zeit habe und irgendwann auch einen Grand-Slam-Titel gewinnen werde. Im Laufe des Jahres muss er allerdings auch erkannt haben, dass das ohne neuen Input von außen, vielleicht doch nicht so einfach werden dürfte. Also holte er im August Ivan Lendl in sein Betreuerteam. Der Sieg bei den ATP-Finals in London war der erste Triumph nach der Verpflichtung der ehemaligen Nummer eins – und viele Experten glauben, dass er eine Signalwirkung für das sein wird, was 2019 folgt. Noch stehen Djokovic, Rafael Nadal und Federer nicht nur in der Rangliste, sondern auch in Sachen Beliebtheit vor dem Deutschen. Allerdings wissen die Altstars, dass ihre Zeit irgendwann abläuft. Unisono sehen sie Zverev als ihren potenziellen Nachfolger, die Frage ist nur, ob dies früher oder später passiert.

Zumindest hat sich Zverev im November in London von einer Last befreit. Er kann große Titel gewinnen und dabei sogar die besten Spieler der Welt schlagen. Er kann das Publikum begeistern, nicht nur durch Erfolge, sondern durch seine Art, mit den Fans umzugehen. Ja, er kann sogar Ivan Lendl zum Lächeln bringen. Wenn Alexander Zverev all das mit in die neue Saison nimmt, könnte er am Ende des kommenden Jahres wieder in London stehen und staunen – dann zur Abwechslung vielleicht diesmal über sich selbst. Jörg Leopold

Immer verloren, immer dabei

Glückspilz. Peter Polansky rückte bei allen vier Grand Slams als "Lucky Loser" ins Hauptfeld.
Glückspilz. Peter Polansky rückte bei allen vier Grand Slams als "Lucky Loser" ins Hauptfeld.

© imago/Xinhua

PETER POLANSKY

Glückliche Verlierer – auch die gibt es im Sport. 2018 rankten sich etliche Geschichten um die sogenannten Lucky Loser im Tennis. In diesen Fällen geht es um Spieler aus dem dreistelligen Bereich der Weltrangliste, die sich vor dem offiziellen Turnierstart eines Grand Slams durch drei zusätzliche Qualifikationsrunden ins Hauptfeld der Teilnehmer spielen können.

Bei diesen vier großen Turnieren des Jahres, in Melbourne, Paris, London und New York, werden automatisch die 104 besten Spieler der Weltrangliste eingeladen, zusätzlich darf die Turnierdirektion acht Wildcards vergeben. 16 Spieler kommen schließlich durch einen Sieg in ihrem dritten Qualifikationsmatch hinzu. Und sogar den 16 Verlierern aus dieser Runde bleibt Grund zur Hoffnung: Sollte ein Spieler aus dem Hauptfeld vor seinem Turnierauftakt ausfallen, wird dessen Startplatz unter jenen „Losern“ verlost.

Im zurückliegenden Tennisjahr kam es dabei zu einigen Kuriositäten. In Paris war es zum Beispiel so, dass bei den French Open gleich acht Spieler ihre Teilnahme kurzfristig absagten. So viele wie noch nie. Problem war nun, dass einige von denen, die ihr entscheidendes Qualifikationsmatch verloren hatten und nun nachrücken konnten, sich gar nicht mehr in Frankreich aufhielten.

Aber was heißt schon Problem? Als Marco Trungelliti, zu der Zeit die Nummer 190 der Welt, die freudige Nachricht erreichte, befand er sich schon im Familienurlaub in Barcelona. Doch diese Chance wollte sich der 28-jährige Argentinier nicht entgehen lassen. Zusammen mit seinem Bruder, seiner Mutter und seiner 88 Jahre alten Oma ging es im Auto zurück nach Paris. 1000 Kilometer, zehn Stunden Fahrt. Trungelliti, der glückliche Verlierer, wurde nach seinem Erstrundensieg gegen Bernard Tomic sogar noch zum strahlenden Gewinner.

Sturz beim Schlafwandeln überlebt

Die Krone unter allen Lucky Losern setzte sich 2018 aber Peter Polansky auf. Der 30 Jahre alte Kanadier vollbrachte das Kunststück, bei allen vier Grand Slams das entscheidende Qualifikationsmatch zu verlieren – durch den Losentscheid aber trotzdem an allen Turnieren teilzunehmen. Ein solch beständiges Glück eines Verlierers war in der Tennisgeschichte noch nie vorgekommen und brachte Polansky, der alle vier Erstrundenmatches verlor, ein zusätzliches Preisgeld von 100.000 Dollar. „Ich glaube nicht, dass so etwas jemals wieder passieren wird“, erzählte die aktuelle Nummer 121 der Weltrangliste der „New York Times“: „Ich könnte jetzt eine Frage bei Jeopardy sein.“

Glücklich – im Sinne von Glück gehabt – ist er wohl sowieso bis an sein Lebensende. Als Polansky vor zwölf Jahren einmal schlafwandelte, überlebte er einen Fenstersturz aus dem dritten Stock seines Hotelzimmers. Benjamin Apitius

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