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Magnus Carlsen (links) setzte sich am Ende doch gegen Sergej Karjakin durch.

© AFP

Schach-WM: Der frischere Kopf gewinnt

Magnus Carlsen verteidigt seinen Schach-WM-Titel gegen Herausforderer Karjakin, weil er auf seine Intuition vertraut.

Als Sergej Karjakin geschlagen war, bewies er Größe. „Happy Birthday, Magnus“, das waren die ersten öffentlichen Worte des unterlegenen Herausforderers, nachdem ihn Schachweltmeister Magnus Carlsen endgültig mattgesetzt hatte. An seinem 26. Geburtstag hatte Carlsen den WM-Titel in großem Stil verteidigt, das Schnellschach-Stechen im Fulton Market Building von New York gewann er klar und verdient mit 3:1. Der Norweger beendete das WM-Duell mit dem wohl schönsten Zug der vergangenen drei Wochen: Dame h6, Schach! – ein überraschendes und ästhetisch enorm reizvolles Damenopfer. Karjakin konnte sich aussuchen, ob er Carlsens Dame mit dem König oder mit dem Bauern schlägt, in jedem Fall wäre er nach einem weiteren Zug mattgesetzt worden. Der Russe wählte eine dritte Möglichkeit: Er gab auf.

„Ich habe schlecht gespielt"

Nach Karjakins eigenen Worten fehlte ihm am Ende die Frische für den Tiebreak, der beim Gleichstand von 6:6 nach zwölf teils zermürbenden Partien mit langer Bedenkzeit notwendig geworden war. Karjakin blieb im Tiebreak (vier Schnellpartien mit je 25 Minuten Bedenkzeit plus zehn Sekunden Aufschlag pro Zug) nahezu chancenlos. „Ich habe schlecht gespielt. In drei der vier Partien stand ich auf Verlust“, gab er zu. Carlsen bekommt für seinen Sieg 600 000 US-Dollar, weniger als nach den WM-Duellen gegen seinen Vorgänger Viswanathan Anand. Wie knapp Karjakin scheiterte, als 17. Champion in die 130 Jahre alte Geschichte der Schachweltmeister einzugehen, wird bei einem Blick auf die neunte Partie deutlich. Da hatte er eine Gewinnchance zum vermutlich vorentscheidenden 5,5:3,5 ausgelassen. Dass er es letztlich nicht schaffte, sei nicht mit Pech zu begründen, stellte Karjakin jedoch klar. Er vertraue der Philosophie, dass „alles kommt, wie es kommen soll“. Auch sein Gegner habe ja zuvor Chancen verpasst. „Magnus stand in der dritten und vierten Partie auf Gewinn“, sagte Karjakin.

Karjakin nutzte seine Vorbereitung nichts

Dass es für Carlsen so knapp wurde, kam unerwartet. Mit zunehmender Dauer schien der Norweger auch mental Probleme zu bekommen, was sich in seinem Verhalten nach den Partie spiegelte: Während Karjakin selbst nach stundenlangen Partien freundlich antwortete, saß der von den eigenen Leistungen zuweilen frustrierte Carlsen schlecht gelaunt daneben. Nach seiner Niederlage in der achten Partie blieb er der Pressekonferenz sogar fern. „Da waren eine Menge negative Gedanken in meinem Kopf“, sagte Carlsen in der Nacht zum Donnerstag Es sei nicht einfach gewesen, den Kopf wieder frei zu bekommen. Er sei froh, dass er in der zehnten Partie ausgleichen konnte.
Statt sich intensiv auf den Tiebreak vorzubereiten, versuchte Carlsen in den Tagen zuvor, Energie zu sammeln. Karjakin hingegen feilte tagelang an seinem Eröffnungs-Repertoire. „Es war vielleicht ein Fehler, dass ich mich auf so viele Sachen vorbereitet habe“, sagte Karjakin. Besonders in Schnellpartien sei es wichtiger, mit einem „frischem Kopf“ ans Brett zu kommen. Mit einem Großteil seiner Analysen habe er nichts anfangen können, weil Carlsen oft „in andere Eröffnungen gesprungen“ sei, sagte Karjakin. Außerdem habe er während der Partien manchmal Teile seiner Vorbereitung vergessen oder verwechselt. „Es gab so viele Sachen zu merken, dass ich mich nicht an alles erinnern konnte.“

„Mein Plan ist es, in zwei Jahren wieder um den Titel zu spielen.“

Im Tiebreak war Carlsen stets der Erste, der seinen Gegner in der Eröffnung überraschte. Und auch in den Mittelspielphasen dominierte er noch eindeutiger als in den langen Partien. Die dritte Runde wurde dabei zur Schlüsselpartie. Carlsen zog flott und stürmte bald mit seinem f-Bauern vor, was impulsiv wirkte, doch er behielt die Kontrolle. Im 30. Zug opferte er einen Bauern, um mit seinen verbliebenen Figuren in Karjakins Stellung einzudringen. 2:1 für Carlsen – also musste Karjakin in der letzten Schnellpartie mit Schwarz gewinnen. Doch Carlsen bereitete sich per Damenopfer das schönste Geburtstagsgeschenk. „Sergej hat stark gespielt“, sagte Carlsen später über Karjakin. Der kündigte nach seinen Glückwünschen an den Sieger mit einem Lächeln eine Revanche an: „Mein Plan ist es, in zwei Jahren wieder um den Titel zu spielen.“

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