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Jones

© dpa

Schalke 04: Anarchie statt Hierarchie

Schalke 04 sucht eine neue Ordnung im Team. Mittelfeldspieler Jermaine Jones hat sich über die Einkaufspolitik beschwert und eine Zweiklassengesellschaft angeprangert.

Valencia - Es war eine wenig willkommene Überraschung, die die Verantwortlichen des FC Schalke gestern bei der Zeitungslektüre beim Frühstück erwartete. Ungewöhnlich offen hatte Jermaine Jones im Trainingslager des FC Schalke 04 in Valencia fast ohne jegliche Rücksichtnahme auf handelnde Personen oder Mitspieler das vergangene halbe Jahr des Klubs kritisiert. Und dabei hatte der 27-Jährige bewusst in Kauf genommen, dass er sich das Unverständnis aller Beteiligten zuzog. Der Mittelfeldspieler beschwerte sich über die Einkaufspolitik (Orlando Engelaar), prangerte eine Zweiklassengesellschaft an, in der in der Hinrunde namhafte Spieler (Kevin Kuranyi) trotz mäßiger Leistungen gegenüber deutlich engagierteren Akteuren der zweiten Reihe (Gerald Asamaoh) bevorzugt wurden. „Wir brauchen hier niemanden, der seine Nummer spazieren trägt“, sagte Jones. Zudem forderte er ein härteres Durchgreifen von Trainer Fred Rutten, der sich seiner Auffassung nach zu sehr auf die Beobachterrolle konzentriert hatte: „Hier ist viel zu viel durchgegangen.“

Schalkes Manager Andreas Müller war die gute Laune sichtlich vergangen, als er die Vorwürfe des Nationalspielers kommentierte. „Jermaine hat so emotional reagiert, wie er es auch manchmal auf dem Platz macht“, sagte Müller. Müller deutete Jones’ Aussagen als „Frust, den er noch aus dem Jahr 2008 losgelassen hat“. Repressalien habe der Spieler aber keine zu erwarten. „Wir wollen positiv in das Jahr 2009 starten. Dafür haben wir unsere Maßnahmen getroffen“, sagte Müller und meinte damit unter anderem die Degradierung von Albert Streit und die Vertragsauflösung mit Peter Lövenkrands.

Es sollte sich trotz der harschen Kritik nach einem unbeschwerten Neuanfang anhören. Am Ende ging es Müller aber darum, möglichst wenig von den Problemen der Mannschaft preiszugeben. Ein Dilemma, in dem sich Schalke seit längerer Zeit befindet. Das Team scheint auf der Suche nach neuen Hierarchien zu sein. Als Mirko Slomka noch Trainer war, nahmen die erfahrenen Spieler wie Marcelo Bordon, Kuranyi oder Mladen Krstajic die Meinungsmacht für sich in Anspruch; diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Vielmehr spielen sich seit Monaten interne Verteilungskämpfe ab, die massive Auswirkungen auf Schalkes sportlichen Erfolg hatten. „Wir brauchen Spieler, die auch mal dazwischenhauen“, hatte Asamoah wenige Stunden vor dem Ausbruch seines Kollegen Jones gefordert. Und damit angedeutet, dass weder der stille Bordon noch die ehemaligen Wortführer derzeit für klare Verhältnisse sorgen können. „Es ist sicher ein Gewöhnungsprozess – für den Trainer und auch die Spieler“, sagte Müller zu möglichen Veränderungen in der Hierarchie. Dennoch sei er zuversichtlich, dass nun „alle wissen, in welche Richtung es gehen soll“.

Die Schalker wandeln auf einem schmalen Grat zwischen Verteilungskämpfen und einem sportlichen Neuanfang. Müllers Miene wollte sich gestern zumindest nicht mehr aufhellen. Jörg Strohschein

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