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Blauäugig. Ein Magazin zeigte die Verantwortlichen mit Veilchen. Foto: AFP

© dpa

Sport: Schande, Ohrfeige, Albtraum

Nach der 0:1-Niederlage in Aserbaidschan wird Trainer Guus Hiddink in der Türkei scharf attackiert

Er sollte den türkischen Fußball an die europäische Spitze führen. Doch nach der unerwarteten und demütigenden 0:1-Niederlage der türkischen Nationalelf gegen Aserbaidschan steht Trainer Guus Hiddink am Pranger. „Ist dieses Ergebnis etwa auch normal, Herr Hiddink?“ empörte sich die Zeitung „Hürriyet“ am Mittwoch – schließlich hatte Hiddink das 0:3 gegen Deutschland vom vergangenen Freitag als „normal“ bezeichnet. Andere Blätter stellten die Frage, ob die vier Millionen Euro Jahresgehalt für den Niederländer wirklich gut angelegt sind. Vom Heilsbringer zum Buhmann ist es im türkischen Fußball oft nur ein kurzer Weg.

Mit der Niederlage in Baku hat der türkische Fußball nach Meinung vieler Beobachter am Sonntagabend einen neuen Tiefpunkt erreicht. Aserbaidschan stehe auf Platz 102 der Weltrangliste, klärte die Zeitung „Sabah“ unter der Überschrift „Große Schande“ ihre Leser auf. Nie zuvor habe die Türkei gegen den Nachbarn verloren: „Mit sechs verlorenen Punkten in vier Tagen wird der Traum vom großen Turnier zu einem Albtraum.“

Ein anderes Blatt rechnete vor, dass der Marktwert der aserbaidschanischen Nationalspieler gerade einmal bei sieben Millionen Euro liege – die türkische Mannschaft sei dagegen 138 Millionen wert. Genützt hat es den Türken nichts. Eine „historische Ohrfeige“ habe die Türkei beim engen Verbündeten Aserbaidschan kassiert, titelte eine Zeitung. Ahnend, welche Kritik ihnen zu Hause entgegenschlagen würde, zeigten sich die Spieler nach der Begegnung zerknirscht. „Zum ersten Mal fühle ich mich hilflos“, sagte Hamit Altintop vom FC Bayern. Die Mannschaft habe alles versucht, aber es habe einfach nicht funktioniert. Mannschaftskapitän Emre Belözoglu dachte unterdessen laut über einen Rückzug aus der Nationalmannschaft nach. Vielleicht sind dramatische Einschnitte wie Rücktritte prominenter Spieler genau das, was der türkische Fußball jetzt braucht, meinen einige Beobachter. „Wir sollten die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine abschreiben und die Nationalmannschaft ganz umbauen“, sagte der frühere Nationalspieler Ridvan Dilmen dem türkischen Nachrichtensender NTV. „Es müssen radikale Entscheidungen her.“

Auch Guus Hiddink selbst zeigte sich geschockt. Nicht nur die Niederlage an sich, sondern auch die Art und Weise, wie sie zustande gekommen sei, müsse zu denken geben, sagte der Niederländer. In der Kabine soll der Trainer seine Spieler zusammengestaucht haben. Doch dass Hiddink der richtige Mann ist, um das Ruder herumzuwerfen und den Neubeginn einzuleiten, wird seit Dienstagabend von vielen Fans und Experten in der Türkei bezweifelt. Hiddink habe die falsche Mannschaft aufs Feld gebracht, wurde von zahlreichen Kommentatoren kritisiert. So habe der erfahrene Trainer den seit langem völlig außer Form spielenden Nihat Kahveci aufgeboten. In der „Hürriyet“ höhnte Kolumnist Erman Toroglu, immerhin habe die Türkei eine 0:6-Niederlage gegen die Deutschen und eine 0:3-Abreibung gegen Aserbaidschan vermieden, „das ist doch ein großer Erfolg“.

Aber so einfach feuern wird der türkische Fußball-Verband den als Hoffnungsträger ins Land geholten Hiddink wohl auch nicht. Schließlich hat der Niederländer seinen Dienst erst vor wenigen Monaten angetreten. Von einem Journalisten auf einen möglichen Rücktritt angesprochen, sagte der Trainer, nun gehe es erst einmal um die Qualifikationsrunde. In den kommenden Monaten wird Hiddink versuchen müssen, eine neue Mannschaft aufzubauen. Dabei wird er unter erheblichem Druck stehen. Die Flitterwochen des Niederländers am Bosporus sind vorbei.

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