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© p-a/dpa

Schiedsrichter: Handball: Die Bestechlichen

Der internationale Handball sucht nach vielen Skandalen eine neue Generation von Schiedsrichtern.

Es gab schon bessere Zeiten für Schiedsrichter. Erst zehn Monate ist es her, dass die Zunft in schmutzige Skandale verwickelt war, die den Handball in die tiefste Krise seiner Geschichte beförderten. Bernd Ullrich, der deutsche Schiedsrichter, war 2006 nach einem Europapokalfinale mit 50 000 US-Dollar an einem Moskauer Flughafen aufgegriffen worden, er ist inzwischen zurückgetreten. Der ukrainische Referee Walentyn Wakula hatte das deutsche Gespann Geipel/Helbig zur Bestechlichkeit anstiften wollen, Wakula sitzt nun eine Sperre ab. Und dann war auch noch die Rede davon, dass die kroatischen Gastgeber der WM 2009 den Versuch gestartet haben sollen, die Schiedsrichter während eines Banketts mit Prostituierten zu versorgen.

„Es ist ganz wichtig, dass man den Rückhalt in der Familie hat“, das sagte Bernd Methe damals, denn natürlich provozierten die Berichte auch Fragen bei denjenigen Schiedsrichtern, die einen guten Ruf besitzen. „Wenn eine Frau eines international tätigen Schiedsrichters so etwas morgens liest, dann muss sie ihren Ehemann doch fragen: ‚Was machst Du denn so, wenn Du im Ausland pfeifst?‘“, sagte der deutsche Schiedsrichter nachdenklich. Auch für die korrekten Kollegen im unteren Leistungsbereich, die damals zu Unrecht in Sippenhaft genommen wurden, täte es ihm leid. Mit seinem Bruder Reiner versucht Methe, das Image der Referees wieder aufzupolieren. Die Zwillinge aus Vellmar nahe Kassel sind das einzige deutsche Duo bei der Europameisterschaft, die am Dienstag in Österreich beginnt. Die Methes profitieren also vom Abgang Lemme/Ullrichs, die dort ihr Abschiedsturnier bestreiten wollten.

Die Europäische Handball-Föderation (EHF) musste reagieren auf die ganzen Skandale. Unter den zwölf nominierten Schiedsrichterpaaren gibt es viele neue Gesichter. Die beiden Serben Nikolic/Stojkovic etwa, die erst seit 2007 international pfeifen. Auch die Portugiesen Cacador/Nikolao und Methe/Methe haben noch nie eine Männer-EM gepfiffen. Der EHF-Schiedsrichter-Chef Sandor Andorka sagt, die Zäsur hänge vor allem damit zusammen, dass man bei den Olympischen Spielen 2012 in London ausgebildete Schiedsrichter brauche. „Wir stehen noch am Anfang einer olympischen Periode, deshalb müssen wir neue, junge Paare aufbauen“, erklärt der Ungar gegenüber dieser Zeitung.

Das ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass viele routinierte Paare wie eben Lemme/Ullrich gesperrt sind. Auch das polnische Paar Miroslaw Baum/Marek Goralczyk hat seine Laufbahn beendet – offiziell, weil Goralczyk als Generalsekretär des Verbandes fungiert. Aber hier hätte sich andernfalls gewiss großer öffentlicher Protest geregt, da dieses Paar 2007 jenes Champions-League-Finale pfiff, das der THW Kiel gekauft haben soll. Die EHF möchte unbedingt neue Negativ-Schlagzeilen verhindern. Nur so ist zu erklären, dass Andorka auch auf das slowenische Spitzenduo Nenad Krstic/Peter Ljubic verzichtete, das bei der WM 2009 in Kroatien Berühmtheit erlangte, das bei den Skandalen im Frühjahr aber keine Rolle spielte. Die Bilder, auf denen Bundestrainer Heiner Brand nach Schlusspfiff mit erhobener Faust auf Ljubic losging, gingen um die Handballwelt. Brand hat zwar erklärt, dass ihm so etwas nie wieder passieren werde. Aber entschuldigt hat sich der 57-Jährige Gummersbacher bis heute für diese Szenen nicht; weil er sich in diesem Moment verpfiffen fühlte.

Nun gibt es einen Neuanfang, aber auch der ist mit gewissen Gefahren verbunden. „Das ist immer das Risiko, dass die Erfahrung bei den Schiedsrichtern nicht da ist. Da muss man versuchen, einen Mittelweg zu finden“, sagt Brand. Freilich laufen in Österreich auch viele Schiedsrichterpaare auf, die einerseits erfahren sind und andererseits als völlig unbescholten gelten. Etwa die Dänen Olesen/Pedersen, die im letzten Jahr im WM-Finale den fanatischen kroatischen Fans trotzten und eine sehr gute Vorstellung boten. Oder Methe/Methe, die bereits seit 1999 international pfeifen. „Sie sind schon lange im Business“, sagt Schiedsrichter-Chef Andorka über die Zwillinge, die nach eigener Aussage trotz ihrer langen Laufbahn noch nie mit einem Bestechungsversuch konfrontiert waren. Weshalb, können sie sich nur so erklären: Die Zwillinge sind für Mittelsmänner, die stets nur einen Schiedsrichter ansprechen, nicht voneinander zu unterscheiden.

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