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Sport: Schleichender Fortschritt

Im Trainingslager will Hertha die Grundlagen schaffen, um bald den Anschluss an die Bundesligaspitze zu finden – vielleicht ohne Luizao

Belek. Huub Stevens stößt ein lautes „Lui“ aus, wedelt kurz mit der Hand und macht es sich auf der Terrasse gemütlich. Zwei Plastikliegestühle hat der Trainer von Hertha BSC zusammengeschoben. Einen für ihn, den anderen für Luizao. Es könnte so schön sein, hier unter der lauwarmen Mittagssonne an der türkischen Mittelmeerküste. Doch der Schein trügt. Es folgt ein minutenlanger Monolog des Trainers. Luizao, der brasilianische Stürmer, sitzt da mit gesenktem Haupt. Er hat nicht viel zu sagen. Er ist verletzt. Das haben sich beide anders vorgestellt.

Es gibt mehr Gründe als Gelegenheiten, im Januar das nasskalte Berlin hinter sich zu lassen und beispielsweise im Süden des Kontinents Kraft zu tanken. Der Berliner Bundesligist hat sich diesmal eine Fünf-Sterne- Adresse in der Umgebung Antalyas ausgesucht. Mit Meerblick. Und der ist besser als der Blick auf die Tabelle. Hertha ist als Neunter in die Winterpause gegangen. Das ist mehr als ein Betriebsunfall.

28 Spieler lässt Huub Stevens auf dem hoteleigenen Fußballplatz üben. „Es wartet einiges an Arbeit auf uns“, sagt er. Er hätte auch sagen können: Es gibt noch einige Versäumnisse aus dem vergangenen Jahr aufzuarbeiten. Nur zweimal seit dem Aufstieg vor fünfeinhalb Jahren stand Hertha nach der Hinrunde mit weniger Punkten da, und noch nie schossen die Berliner im ersten Halbjahr weniger Tore. „Wir haben unter unseren Möglichkeiten gespielt“, sagt Stevens.

Der Start in die Rückrunde wird sehr wichtig werden, will Hertha nicht endgültig die eigenen Ziele aus den Augen verlieren. Für den Fall eines optimalen Saisonverlaufs hatte der Verein mit Platz drei spekuliert, was die Qualifikation für die Champions League nach sich ziehen würde. Hinter diesem Anspruch liegt die Mannschaft zehn Punkte zurück, und realistisch betrachtet wird dieser Abstand nicht aufzuholen sein. „Die jetzige Ausgangslage ist schwer“, sagt Manager Dieter Hoeneß, „aber ich bin überzeugt davon, dass wir die vier Punkte auf Platz fünf aufholen können.“ Damit wäre Hertha erneut im Uefa-Cup vertreten.

Hertha wird sich sportlich bessern und nebenher an der Zukunft basteln müssen. Im Sommer laufen 14 Verträge aus. Der Generationswechsel ist in vollem Gange. „Wir sind dabei, das Team zu verjüngen“, sagt Hoeneß. „Das ist ein Prozess, der sein muss, der aber nicht reibungslos vonstatten gehen wird. Die Hierarchie wird sich ändern.“

Eyjölfur Sverrisson, Rob Maas und René Tretschok haben bei Hertha keine Perspektive mehr. Michael Preetz wechselt im Sommer ins Management. Andere Spieler wie Andreas Schmidt, Marko Rehmer und Michael Hartmann werden bei verminderten Einkünften bleiben dürfen. Der Verein hat ihnen entsprechende Angebote unterbreitet. „Hier im Trainingslager werden keine Verhandlungen geführt“, sagt Hoeneß, „die Abschlüsse werden wir in Berlin erzielen.“

Stefan Beinlich und Dick van Burik gelten als Wackelkandidaten. In ihren Fällen will Hertha bis Ende Februar warten. Beide galten bisher als Korsettstangen des Teams, die aber wegen Verletzungen in der Hinrunde kaum zum Einsatz kamen. „Sie haben ihren Rhythmus nicht gefunden“, sagt Hoeneß. „Aber sie wollen bleiben, das zeigt, dass sie an die Perspektive des Vereins glauben.“

Die Perspektive des Vereins nachhaltig beeinflussen sollte auch Luizao. Als Stürmer der WM-Mannschaft hatte der Verein den Brasilianer im Sommer gekauft. Jetzt, im Winter, ist die Blendwirkung dieses Transfers längst verflogen. Geblieben sind Sorgen und Skepsis. Die Sorge um seinen Gesundheitszustand und die Skepsis, wann und ob Luizao die Mannschaft voranbringen wird. Acht Bundesligaspiele hat der 27-Jährige bestritten, das Tor getroffen hat er nicht.

„Bei Lui ist es problematisch. Als er sich langsam an die Mannschaft herangearbeitet hatte, hat er sich verletzt“, sagt Stevens. „Das hat ihn zurückgeworfen. Aber wir brauchen nicht drumherum zu reden, das, was er bisher gebracht hat, ist viel zu wenig.“ Es ist kein Geheimnis, dass Luizao mit dem umfangreichsten Konditionsprogramm in den Winterurlaub geschickt worden war.

Kurz nach seiner Rückkehr nach Berlin verletzte er sich erneut. Luizao verdrehte sich das Knie. „Wenn er Ende der Woche wieder ordentlich gegen den Ball treten kann, wäre ich froh“, sagt Holger Gehrke. Der Gesichtsausdruck von Herthas Kotrainer sagt mehr. Was sollen wir machen? Doch Huub Stevens will den angeschlagenen Star bei sich haben.

Stevens sagt: „Er soll spüren, dass er dazugehört.“

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