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Sport: Schmerzhaftes Spektakel

Bei der Niederlage in Barcelona bewundert Werder Bremen Ronaldinhos Fußballkunst

Wer verstehen will, warum Ronaldinho nicht einfach nur ein Fußballspieler ist, sollte sich zwei Stunden vor Spielbeginn in die noch leere Eingangshalle unter der Haupttribüne des Stadions Camp Nou stellen. Dann kann es passieren, dass aus dem Nichts Dutzende in orangefarbene Westen gekleidete Ordner des FC Barcelona auftauchen, einen 50 Meter langen Korridor bilden und allen Herumstehenden unmissverständlich klar machen, dass es verboten ist, diesen zu betreten. Wenig später hält ein Bus. Heraus steigt Ronaldinho. Der Brasilianer schreitet durch das Spalier ins Stadion, die Ordner trotten zurück in die Katakomben.

Man muss den Personenkult kennen, der in Barcelona um den derzeit besten Fußballer der Welt getrieben wird, um die Ehre einschätzen zu können, die Patrick Owomoyela am Dienstagabend zuteil wurde. Der deutsche Nationalspieler beantwortete nach der 1:3-Niederlage der Bremer Fragen der Journalisten, als ihm von hinten jemand anerkennend auf die Schulter klopfte. Owomoyela drehte sich um und sah seinen Gegenspieler Ronaldinho. Die beiden klatschten sich ab, und für einen kurzen Moment war Owomoyelas Frust über die Niederlage Bewunderung gewichen. „Wir haben uns jetzt schon ein paarmal auf dem Feld getroffen“, sagte der Abwehrspieler. Ronaldinho sei „ein sympathischer Typ“, von dem man nur lernen könne.

Auf dem Rasen hatten die Profis des SV Werder zuvor eine Lektion modernen Fußballs erteilt bekommen. In der Bundesliga bleibt den Gegnern oft nur das Staunen, wenn Werder kombiniert, nun fiel den Bremern die Schülerrolle zu. „Das war ein Spektakel. Da herrscht eine ganz andere Geschwindigkeit“, sagte Sportdirektor Klaus Allofs. „Man muss einfach anerkennen, dass hier ein größeres Rad gedreht wird als in Bremen.“

Und in diesem perfekt funktionierenden Orchester der Weltstars schaffte es ein Solist herauszuragen. Immer wieder erhoben sich die sonst eher kritischen Zuschauer von ihren Sitzen, um dem Spieler des Abends zu applaudieren. Ronaldinho leitete hohe Bälle mit der Brust präzise zu seinen Mitspielern, obwohl er das auch mit dem Kopf hätte tun können. Ronaldinho drehte sich aus dem Stand um Frank Fahrenhorst und Johan Micoud herum, obwohl eigentlich gar kein Platz zum Drehen war. Ronaldinho spielte aus dem Stand einen 30-Meter-Pass auf Gabri zum 1:0, einen weiteren zum 3:1 durch Larsson und schoss das 2:1 per Freistoß selbst, wobei Werders Torwart Andreas Reinke in dieser Szene dem Ball allzu ehrfurchtsvoll Platz machte.

Allein die manchmal zu ausgeprägte Neigung der Spanier zur Schönspielerei verhinderte, dass Werder mit einem schmerzvolleren Ergebnis nach Hause fuhr. Auch wenn Tim Borowski per Elfmeter in der ersten Halbzeit das 1:1 gelungen war, war Barcelona „eine Nummer zu groß“, wie Allofs zugab. „Man sollte solche Spiele nutzen, um sich weiterzuentwickeln.“

Der oft kritisierten Abwehr der Bremer konnte an diesem Abend niemand die Schuld geben. Zwar war die Innenverteidigung sowohl beim 1:0 als auch beim 3:1 zu langsam, aber Allofs gab sich nicht der Illusion hin, dass mehr Konzentration in diesen Szenen am Ergebnis etwas geändert hätte: „Wenn du da besser stehst, dann machen die eben in einer anderen Szene ein Tor.“

Dass es trotzdem ein bitterer Abend für die Bremer wurde, war höherer Gewalt geschuldet. Erst zog sich Stürmer Miroslav Klose einen Jochbeinbruch zu, dann drehte Udine in der Schlussphase das Spiel in Athen, weshalb Werder sich nur noch für das Achtelfinale qualifizieren kann, wenn die Italiener ebenfalls gegen Barcelona verlieren – und Werder gleichzeitig gegen Panathinaikos Athen gewinnt. So war das Ergebnis Nebensache, als Klaus Allofs sein Fazit zog: „Wir haben gehofft, einen Punkt zu holen, wir haben gehofft, dass Athen gewinnt, und wir haben gehofft, dass wir hier unbeschadet rausgehen – davon ist nichts eingetreten.“

Steffen Hudemann[Barcelona]

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