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Sport: Schneller als die Bakterien

Triathlet Vuckovic startet da, wo er 2001 fast gestorben wäre

Köln. Es war ein düsterer Tag, an dem Stephan Vuckovic beinahe starb. Einen Tag vor seinem 29. Geburtstag prasselte dunkler Regen auf das trübe Wasser von Karlsbad. Nichts konnte der deutsche Weltklasse-Triathlet mehr sehen. Wie ein stinkendes Moorbad kam ihm der künstlich angelegte See vor, über dem sich die Nebelschwaden verdichteten. Selbst die Ratten, Enten und deren Kotablagerungen, die er am Tag zuvor noch am Rande der Schwimmstrecke gesichtet hatte, schienen verschluckt.

„Ich hatte von Anfang an kein gutes Gefühl", erinnert sich Vuckovic. Doch es war nicht die Zeit, Schwäche zu zeigen. Er galt als Favorit für das anstehende Halbfinale bei der Europameisterschaft. Und so sprang er ins Wasser. Eine Entscheidung, die für den Olympiazweiten von Sydney 2000 beinahe tödlich gewesen wäre.

Zwei Jahre ist es nun her, dass sich Vuckovic in dem Becken in Tschechien mit den Bakterien der Legionärskrankheit infizierte. Am heutigen Sonnabend, exakt zwei Jahre später, wird er bei der Triathlon-EM wieder in die Brühe springen. Auch wenn Karlsbad für ihn noch immer ein Ort des Schreckens ist. „Ich habe das alles längst nicht verkraftet", sagt Vuckovic.

Damals hatte er wenige Tage vor dem Wettkampf eine „Heuschnupfen-Attacke" erlitten. Herpes hatte sich an seiner Lippe gebildet. Durch diese Stelle waren die Bakterien, die sich in zu hoher Konzentration im Wasser tummelten, in seine Blutbahn geschlüpft. Um fünf Uhr früh war er in das Zelt der Physiotherapeuten gekrochen. Mit 40 Grad Fieber, Übelkeit und Durchfall. Ein Arzt fuhr ihn nach Bayreuth ins Krankenhaus. Drei Tage schwebte er in Lebensgefahr. Seine Nieren standen vor dem Versagen. Als er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war er ein körperliches Wrack.

Aber „mit Triathlon wollte ich selbst damals nicht aufhören". Zu frisch waren die Erinnerungen an Sydney. Mit einer Deutschlandflagge war er über die Ziellinie getorkelt – als Zweiter. Diese Bilder gaben ihm Kraft, wieder anzugreifen. Stunde um Stunde quälte er sich über die staubige Aschenbahn. Sein Puls hämmerte. Doch er hielt durch. Obwohl damals auch noch seine Beziehung zu Triathletin Anja Dittmer in die Brüche ging.

Mit einer Störung des vegetativen Nervensystems landete er wieder im Krankenhaus. Noch vor zwei Monaten litt er unter Schwindelattacken. „Es war eine Tortur." Scheinbar ohne Happyend. Doch dann gewann er am 17. Mai in Waren einen Duathlon. Der erste Durchbruch war geschafft. Auch die Beziehung zu Anja Dittmer renkte sich wieder ein. „Anja hat als eine der wenigen gesehen, wie dreckig es mir ging", sagt Vuckovic.

Verständnis – darauf wartete Vuckovic bei seinen Kollegen vergeblich. Die meisten Triathleten mieden ihn. Kein Anruf, keine Karte. „Für sie bin ich nur Kontrahent. Mein Comeback freut sie nicht." Fünfter wurde er gerade bei den Deutschen Meisterschaften in Obersulm. Wäre er beim Schwimmen nicht mit dem Gesicht gegen eine Boje geklatscht, wäre sogar der Titel möglich gewesen. „Ich bin zurzeit besser in Form als in Sydney." Bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 will er um eine Medaille kämpfen.

Doch erst mal kommt Karlsbad. „Mir macht es nichts mehr aus, dort zu starten. Vor einem halben Jahr hätte ich das noch nicht gekonnt", sagt Vuckovic. Nicht einmal über den Zustand des Wassers hat er sich informiert, wie er auch nie den Veranstalter verklagte. Dass er irgendwann wieder in Karlsbad antreten muss, war für ihn nie eine Frage. Er weiß, dass er nur dort die tödlichen Bakterien auch mental besiegen kann.

Christoph Bertling

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