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Die Bundesliga, wie sie lebt und feiert. Halbnackt, aber dafür in Schale bejubeln die Spieler des FC Bayern München Roland Grahammer, Raimond Aumann (links von vorne), Stefan Reuter und Jürgen Wegmann (rechts von vorne) die Meisterschaft 1989. Foto: Imago

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Sport: Schneller, besser, reicher

Die Faszination der Bundesliga ist ungebrochen – eine Prominentenjury wählt die beste Elf der Geschichte.

Fünf Monate nach seiner umjubelten Ich-bin-ein-Berliner-Rede vor dem Schöneberger Rathaus wird US-Präsident John F. Kennedy in Dallas erschossen, in Bonn räumt Konrad Adenauer widerwillig das Kanzleramt für Ludwig Erhard. Die Welt ändert sich im Jahr 1963. Nicht nur politisch. Das erstmals ausgestrahlte ZDF sorgt für mehr Abwechslung auf dem Bildschirm, und die am 24. August gestartete Fußball-Bundesliga wird schnell zum Massenerlebnis, das die Nation elektrisiert wie kein anderes.

Die Bundesliga wird in diesem Jahr also 50. Der Tagesspiegel hat dazu eine Expertenjury gebeten, die elf besten Spieler und den besten Trainer aus fünf Jahrzehnten zu wählen (siehe Kasten links). Über die Bundesliga und ihre größten Könner lässt sich schließlich trefflich diskutieren.

Die Faszination der Bundesliga hat über all die Jahrzehnte immer weiter zugenommen. Etwa 430 Millionen Menschen haben seit der Gründung die Spiele live in den Stadien erlebt. Das sind mehr als fünfmal so viel wie Deutschlands gesamte Bevölkerung. Im Fernsehen ist Fußball der Quotenbringer. 628 Millionen Euro pro Saison zahlen die Fernsehanstalten den 36 Klubs der Ersten und Zweiten Bundesliga in den nächsten vier Jahren für die Übertragungsrechte.

Der einstige Proletariersport hat längst alle Gesellschaftsschichten erreicht. Und ist keine Männerdomäne mehr. Über 30 Prozent der Stadionbesucher sind weiblich, Tendenz steigend. Wenn Kanzlerin Angela Merkel samstags nachmittags zu Hause ist, hört sie die Bundesliga-Konferenz im Radio. Die Spiele werden wie Events vermarktet, in neuen oder vor der WM 2006 modernisierten Stadien bewirten Firmen in Vip-Logen Geschäftsfreunde. Branchenführer Bayern München hat seinen Umsatz – mehr als 400 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2012/2013 – seit Ende der 70er Jahre um das Fünfundsechzigfache gesteigert.

Geradezu explodiert sind die Gehälter. In den Anfangsjahren sah das Statut ein monatliches Grundgehalt von 1200 Mark vor, nur „besonders qualifizierte Spieler“ wie Uwe Seeler durften mehr kassieren. Weil Hertha BSC seinen Stars unerlaubt Handgelder gezahlt hatte, flog der Klub 1965 aus der Bundesliga. „Mit Prämien bin ich auf 1800 Mark im Monat gekommen“, erinnert sich Sepp Maier. Das Einkommen von Manuel Neuer, wie einst Maier Torwart des FC Bayern und der Nationalelf, wird auf jährlich acht Millionen Euro geschätzt. Womit er nicht einmal der Spitzenverdiener ist.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes von 1995, dass Fußballprofis bei Vertragsende ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln dürfen („Bosman-Urteil“), war für Spieler und ihre Berater der Start zu einer Gelddruckmaschine. Auf Kosten der Vereine, die sich in der „Hysterie des Bundesligageschäfts“ (Katja Kraus) zum größten Teil verschuldet haben. Kraus war acht Jahre im Vorstand des Hamburger SV, ihr Fazit: „Erfolgsdruck ist ständig da, die ganze Branche ist getrieben.“

Dafür steht Uli Hoeneß wie kein Zweiter. Der wegen Steuerhinterziehung ins Abseits geratene Münchner ist der Erfolgreichste von allen Machern in der Bundesliga-Geschichte. Auch, weil er früh die wachsende Bedeutung des Fußballs erkannte. 22 Meistertitel haben die Bayern in der Bundesliga geholt, Dortmund und Mönchengladbach folgen mit jeweils fünf.

Der Skandal von 1971 mit 18 verschobenen Spielen, die erwiesene Schiedsrichterbestechung, öffentliche Diskussionen über irrwitzige Ablösesummen und Gehälter oder die abstoßenden Fernsehbilder randalierender Hooligans – das alles hat der Bundesliga nicht wirklich geschadet. Auch nicht die Proteste der vielen aufrechten Fans gegen die totale Kommerzialisierung. Zu faszinierend ist letztlich das Spektakel.

Ähnlich viel Erfolg wie zuletzt in der Champions League gab es international in den 70er Jahren, als die von Beckenbauer und Netzer dirigierte Nationalelf triumphal Europameister wurde. Dass sich der Fußball seither verändert hat, ist unumstritten. „Den klassischen Spielmacher wie Overath oder Netzer, den man neutralisieren musste und das Spiel seiner Mannschaft war tot, gibt es nicht mehr“, sagt Jupp Heynckes. Die beiden großen Regisseure der frühen Bundesligajahre haben, so Heynckes, „nur nach vorne gedacht. Schweinsteiger hingegen beeinflusst das ganze Spiel.“ Für den Meistercoach ist Schweinsteiger der ideale Spiellenker im modernen Fußball, defensivstark und torgefährlich, überall präsent.

Wo Trainer sich früher auf ihr Bauchgefühl verlassen mussten, hilft heute der Computer. Ein Fortschrittsglaube, den nicht jeder Beobachter teilt. Netzer erzählt, er habe Bundestrainer Löw gesagt: „Du hast Leute, die im Spiel sogar zwölf Kilometer oder noch mehr laufen. Es nutzt dir nur wenig, wenn sie davon zehn in die falsche Richtung rennen.“ Netzer sagt: „Auf dem Platz stehen Menschen, deren Stimmungen nicht programmierbar sind.“ Daran habe sich in 50 Jahren nichts geändert.

Stimmen Sie online ab über die besten Spieler aus 50 Jahren Bundesliga und lesen Sie morgen, wen unsere Expertenjury für den besten Torwart der Bundesligageschichte hält.

Kurt Röttgen

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