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Sport: Schön fleißig

Bei den Katar German Open in Berlin kann Maria Scharapowa die Nummer eins der Welt werden

Berlin - Breitschultrig steht der Personenschützer Ahmad Mohammed vor dem Spielereingang der Tennisanlage an der Hundekehle und beobachtet die Umgebung. In der vergangenen Woche ist bei ihm ein Fax vom Los Angeles Police Department eingegangen. Ahmad Mohammed kümmert sich bei den Katar German Open um die Sicherheit der Tennisspielerinnen, trotzdem hat ihn das Fax nicht unruhig gemacht. Er kennt diese Situation. „Nicht wieder tausend Bilder unterschreiben lassen“, ruft er einem Fan mit dicken Brillengläsern und Fotoalbum zu, der auf die Spielerinnen wartet. Danach erklärt er: „Vor zwei Jahren haben wir hier auf der Anlage eine Person festgehalten und die Polizei gerufen.“

Diese Person war ein Stalker, ein Mann, der Serena Williams verfolgte, obwohl ihm ein Gericht verboten hatte, sich der Tennisspielerin zu nähern. Die Faxnachricht der vergangenen Woche hat Ahmad Mohammed ein weiteres Gerichtsurteil übermittelt. Wieder verfolgt ein Stalker eine Tennisspielerin, die bei den heute beginnenden Katar German Open antritt. Deshalb trägt ein Mitarbeiter Mohammeds stets ein Foto dieses Mannes in seiner Brusttasche mit sich herum. Und beschützt Maria Scharapowa.

Die 18-jährige Russin spürt nun die Kehrseite des Ruhms von Tennisspielerinnen: Er zieht seltsame Menschen an. Serena Williams, Martina Hingis und Anna Kurnikowa mussten sich bereits gegen Stalker per Gerichtsbeschluss wehren. 1993 stach der geistig verwirrte Steffi-Graf-Fan Günther Parche bei einem Tennismatch auf Monica Seles ein. Gott sei Dank hat der Ruhm auch seine erfreulichen Seiten für Scharapowa, die aktuell bekannteste Spielerin des Tenniszirkus. Spätestens seit ihrem Wimbledonsieg 2004 ist die blonde Tennisschönheit zur bestverdienenden Spielerin aufgestiegen. Zehn Millionen Dollar brachte ihr der Sieg über Serena Williams allein an Werbeverträgen ein. Schon vor ihrem bisher größten sportlichen Erfolg stand sie bei der Agentur IMG Models unter Vertrag, für die auch Heidi Klum arbeitet. Und im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin als Blickfang der Szene, Anna Kurnikowa, spielt sie auch sehr gut Tennis. Mit einem Sieg beim Turnier in Berlin kann Maria Scharapowa erstmals Nummer eins der Weltrangliste werden.

Damit ihr das gelingt, ist Maria Scharapowa am Samstagmorgen früh aufgestanden. Sie ist ehrgeizig und fleißig, das ist eines ihrer Erfolgsgeheimnisse. Um halb elf betritt sie in einem hellblauen T-Shirt den Centre Court. Drei Männer folgen ihr: Vater Juri, der Masseur und ein Sparringspartner. Der Fan mit der dicken Brille und dem Fotoalbum stürzt heran, doch der Bodyguard schickt ihn wieder weg. Einen Journalisten platziert er auf die Haupttribüne außer Sichtweite. „Der Vater ist schwierig“, lautet seine Begründung. Der Vater, so geht die Legende, ist einst mit der siebenjährigen Tochter mit 700 Dollar in der Tasche aus Russland nach Florida ausgewandert. Die Mutter kam wegen Visumschwierigkeiten erst zwei Jahre später nach. Nun steht der Russe Juri Scharapow in einem schwarzen T-Shirt im Steffi-Graf-Stadion und bellt seiner russischen Tochter Anweisungen entgegen. Auf Englisch.

Das dürfte noch ein Erfolgsgeheimnis der Maria Scharapowa sein. Sie ist das Gesicht der Globalisierung. Sie ist Russin und Amerikanerin zugleich und durch die auf der ganzen Welt umherziehende WTA-Tour auf fast allen Kontinenten präsent. Allerdings bröckelt ihre Beliebtheit in Russland. „Es kommt darauf an, ob sie weiter für das Nationalteam spielt“, sagt der russische Sportjournalist Dimitrij Grebenschikow. Zuletzt trat sie nicht für ihr Heimatland im Fed-Cup an, sie dürfe wegen Wachstumsschwierigkeiten nicht zu viel spielen, lautete die Begründung. Tatsächlich ist die schlaksige Scharapowa bereits auf 1,83 Meter hoch geschossen, doch es ist auch kein Geheimnis, dass die anderen russischen Spielerinnen Schwierigkeiten mit ihrem Clan und dem Vater haben. „Mit Leuten wie ihm möchte ich nichts zu tun haben“, soll die French-Open-Siegerin Anastasia Myskina gesagt haben. Der Vater scheint Scharapowas größtes Problem zu sein.

Das Training ist beendet, doch Juri Scharapow holt plötzlich einen kleinen schwarzen Fußball hervor. Maria kickt ihn in die Luft, mit links, mit rechts, sie kann ganz passabel Fußball spielen. Zum Abschluss der einstündigen Trainingseinheit spielt sie Fußball-Tennis, Familie Scharapow gegen Masseur und Sparringspartner. Einmal ruft Maria Scharapowa: „Papa, du bist unsere Schwachstelle.“ Als ihr der Ball im Spiel versehentlich durch die Füße rutscht, kreischt sie laut und vergnügt: „Oh.“ Und plötzlich, für einen kurzen Moment, ist sie nicht mehr die berühmteste Spielerin der Tennisszene, die Ruhm und Geld und aufdringliche Verehrer hat. Plötzlich ist sie etwas, das bei ihr immer öfter übersehen wird: ein 18-jähriges Mädchen.

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