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Sport: Schön und erfolglos

Wie Brasilien sich zum 0:1 gegen Mexiko zauberte

Der Abend endete mit einer kleinen Gemeinheit. Es war kurz vor Mitternacht in den grell erleuchteten Katakomben des Stadions von Hannover, als Mexikos Trainer noch einmal ausdrücklich die Taktik seiner Mannschaft loben wollte. „Wir müssen uns nichts von den Großen abschauen“, sagte Ricardo La Volpe etwas trotzig. Die Mannschaft pflege ihren eigenen Stil, „egal, ob wir nun gegen Brasilien spielen oder die Insel Dominica“.

Die Worte waren deshalb gemein, weil die Mexikaner in den vergangenen beiden Spielen 18 Tore gegen die karibischen Fußballer geschossen haben und diese somit nur bedingt für einen Vergleich mit den Brasilianern taugen. Doch an gehässige Bemerkungen mussten sich die Brasilianer gewöhnen an diesem Abend in Hannover, nicht nur nach dem Spiel. 0:1 hatte Brasilien gegen Mexiko verloren, und das sogar verdient.

Die Zuschauer auf den Tribünen sahen nach dem Schlusspfiff ähnlich irritiert aus wie die Spieler auf dem Rasen. Wunderbar hatten sie ja wieder gespielt, fein kombiniert und elegant ihren Körper in die Kurven gelegt, wenn zwei, drei, vier Mexikaner ausgespielt werden mussten. Doch jedes Mal sollte noch ein letztes Dribbling oder ein letzter Querpass folgten, und schon blieb der Ball irgendwo zwischen den Beinen der Mexikaner stecken. „Die hatten neun, zehn Leute in der Abwehr“, klagte Ronaldinho.

Die Brasilianer hatten öfter den Ball und kamen auf mehr Eckbälle, sie zeigten auch den eleganteren Fußball. Und doch wirkten sie ein wenig wie eine Freizeittruppe, die eine Hotelmeisterschaft an der türkischen Riviera gewinnen will. Gegen eine konzentrierte Mannschaft wie Mexiko, die gleich zwei hintereinander geschaltete Abwehrriegel aufgebaut hatte, hilft der schönste Fußball jedoch nicht viel, wenn er keinen konzentrierten Abschluss findet. Wer sich mit klarem Kopf wehrt, muss diese verspielten Brasilianer nicht fürchten.

Das war auch im vergangenen September zu sehen, als die Deutschen in einem Freundschaftsspiel im Berliner Olympiastadion gegen Brasilien spielten und nach einer ängstlichen Anfangsphase munter mitmischten. Der Chefscout der Deutschen Nationalmannschaft, Urs Siegenthaler, hat jüngst etwas abschätzig gesagt, dass die Brasilianer „klein-klein von hinten herausspielen“ und insgesamt Gefahr laufen, „dass bald nur noch Zauberer am Werk sind“. Treffender kann ein Spielerbeobachter das Problem der Brasilianer nicht auf den Punkt bringen.

Während die Argentinier elegant, kraftvoll und zielstrebig spielen und damit längst die besseren Brasilianer sind, fehlen dem Team von Trainer Parreira eben jene Typen, die auch mal den einfachen Fußball pflegen, wenn sich eine Mannschaft vor dem Tor verbarrikadiert. Dazu kann ein Marcelinho von Hertha BSC gehören, der nicht die große individuelle Klasse eines Ronaldinho hat, aber immerhin in der Lage ist, den Ball auch mal scharf aufs Tor zu schießen und ihn nicht bis ins Unerträgliche in alle möglichen Ecken des Spielfeldes zu verteilen. Gefehlt hat den Brasilianern vor allem ein Typ wie Ronaldo, der in diesen Tagen gern kritisiert wird, weil er Urlaub macht, anstatt für die Nationalmannschaft zu spielen. Ronaldo spielt direkt, er schießt, er sucht das Tor und nicht immer den Mitspieler. „Wir haben bestimmt 30 Mal auf das mexikanische Tor geschossen, und kein einziger Ball ging rein“, sagte Ronaldinho nach dem Schlusspfiff. Die Wortwahl war jedoch ungenau; vielmehr hatten die Brasilianer versucht, den Ball 30 Mal ins Tor zu tragen, zu lupfen, zu zaubern. Geschossen wurde nur aus Nahdistanz.

Am Mittwoch muss die Mannschaft nun in Köln gegen Japan antreten und mindestens einen Punkt holen, damit sie nicht schon in der Vorrunde des Confed-Cups ausscheidet. Spieler wie Ronaldinho werden geschont. „Noch ist nichts verloren“, sagte der Münchner Zé Roberto im Kabinengang und wies auf die Müdigkeit der Mannschaft hin. Wer so einen Fußball spielt, ist selbst schuld.

André Görke[Hannover]

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