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Sport: Schöne neue Fußball-Welt

Die Arena als Markenzeichen: Verein, Mannschaft und Stadion verschmelzen zu einer visuellen Einheit

Das passt gut zusammen: Bayern München ist die Ausnahmemannschaft des deutschen Fußballs – nun nimmt sie das Ausnahmestadion hierzulande in Besitz. Aber Halt: 1860 München spielt ja auch hier, wenn auch nur in Liga zwei. Es ist gar kein Stadion, sondern eine Arena. Zu Zeiten des Münchner Olympiastadions, dieser Bau gewordenen Leichtigkeit einer modernen Bundesrepublik, verschwammen die Unterschiede zwischen den beiden Typen. Heute werden sie stärker betont als je zuvor: Die neue Münchner „Allianz-Arena“, die heute und morgen mit Festen und Fußballspielen eröffnet wird, betont die spezifische Eigenart der allseitig um eine Spielfläche angeordneten Zuschauerränge nicht nur, sie zelebriert sie.

Von außen nimmt sich die Arena als kompaktes Ganzes aus, als organischer Körper, nicht als technische Konstruktion. In ihrem Inneren dominieren Sitze, Sitze, Sitze, angeordnet in drei Rängen übereinander und mit immer steilerem Neigungswinkel bis zu 34 Grad im obersten Rang. Darüber spannt sich ein ringförmiges Dach, das vordergründig dem Witterungsschutz dient, viel eher aber den geschlossenen Charakter der Kampfstätte und ihrer Zuschauermenge betont.

Jacques Herzog und Pierre de Meuron heißen die beiden Basler Architekten, die den eigentümlichen Bau ersonnen haben. Sie gehören zu den Großen ihrer Zunft: Unter den 120 Preisen, die ihr 1978 gegründetes, mittlerweile bis zu 200 Mitarbeiter umfassendes Büro eingeheimst hat, ragt der Pritzker-Preis des Jahres 2001, der „Nobelpreis der Architektur“, als Ritterschlag heraus. Seither reißen sich potente Auftraggeber aller Herren Länder um einen Entwurf des Duos, das nie mit fertigen Vorschlägen aufwartet, sondern jeden Auftrag neu durchdenkt, als sei’s das erste Bauwerk auf Erden.

Das Tätigkeitsspektrum der philosophisch fundierten und oft mit Künstlern zusammenarbeitenden Herzog & de Meuron umfasst alle nur denkbaren Bauaufgaben vom Einfamilienhaus bis zum Fabriklager. Aufmerksamkeit in Fachkreisen erregten sie mit einem kupferband-umwickelten Eisenbahnstellwerk in ihrer Heimatstadt, während sie ihren Durchbruch zum Superstar-Status mit dem souveränen Umbau eines Londoner Kraftwerk-Monsters zum Museum „Tate Modern“ errangen. Aber nicht nur in den Weltmetropolen sind sie aktiv: So entwarfen sie die Bibliothek der Fachhochschule Eberswalde, und unlängst wurde der Neubau der Uni Cottbus eingeweiht. Keiner ihrer Bauten gleicht jemals dem anderen. So gelang ihnen denn auch jene Innovation in der Sportstättenarchitektur, die in München Triumphe feiert. Am Basler Stadion St. Jakob, der Heimstätte des – in der Schweiz wie hierzulande der FC Bayern dominierenden – FC Basel, probierten sie erstmals jene Lichtarchitektur aus, die das Münchner Stadion nachts zum geheimnisvollen Leuchtkörper macht. In Basel hatten sie sich einem bereits begonnenen Bau anzupassen – und lösten die undankbare Aufgabe bravourös. Zur Straßenseite des in diverse Verkehrstrassen eingeklemmten Areals hin blendeten sie einen Wohntrakt vor, die anderen drei Seiten indessen statteten sie mit einem verblüffend einfachen Kunstgriff aus. Herkömmliche Lichtkuppeln für Flachdächer ordneten sie senkrecht an und hinterleuchten sie bei Dunkelheit in den Vereinsfarben Blau und Rot, die auch die Innenausstattung der Arena beherrschen.

So wird die Arena selbst zum Markenzeichen. Verein und seine Mannschaft verschmelzen mit dem Gebäude zu einer visuellen Einheit. Die Architektur tritt hinter das alles bestimmende Image zurück. Dass die in München gefundene Lösung technisch ungleich ausgefeilter und anspruchsvoller ist, mit modernen Textilmembranen und roten und blauen Spezialleuchten für wechselnde Farbzusammenstellungen – entsprechend den beiden dort spielenden Vereinen 1860 und FC Bayern (und Weiß für die „neutrale“ Nationalmannschaft), tut nichts zur Sache. Nur so viel, dass das Basler Architektenduo damit seine technische Kompetenz glanzvoll unter Beweis stellt.

Während die Münchner Arena ihre Stahlbetonkonstruktion vollständig hinter den leuchtenden Luftkissen verbirgt, arbeitet ein weiterer Entwurf von Herzog & de Meuron genau das Gegenteil heraus. Im Bau befindet sich das Olympiastadion von Peking, die Hauptkampfstätte der Spiele von 2008. Es stellt seine vielfach verschlungene Trägerkonstruktion aus Stahl umfassend zur Schau – dafür erhielt es den Spitznamen „Vogelnest“. Auch in Peking werden Textilmembranen aus dem alterungsbeständigen, Schmutz abweisenden, wasser- und gasdichten sowie enorm lichtdurchlässigen Wundermaterial ETFE die Zwischenräume zwischen den Stahlträgern füllen, dort jedoch hinter und nicht vor der Konstruktion. Aber auch in Peking entsteht ein von innen her leuchtender Körper, der bereits als olympisches Markenzeichen gilt. Und solch ein Markenzeichen leuchtet jetzt auch im unwirtlichen Norden Münchens: ein Ufo zwischen Autobahnzubringern. Ein Ufo, das von den Möglichkeiten moderner Architektur kündet.

Das Bayerische Fernsehen überträgt heute ab 19.00 live die Eröffnung der Allianz-Arena und das Spiel 1860 München gegen Nürnberg (ab 20.15 Uhr). Am Dienstag spielt die Nationalmannschaft gegen den FC Bayern (21.15 Uhr), live im ZDF.

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