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Sport: Schöne Summen für schöne Gesichter

BERLIN .Daß sich die amerikanische Sport-Zeitschrift "Sports Illustrated" Ende vergangenen Jahres in einer ausführlichen Titelgeschichte mit dem Aufschwung des Damentennis beschäftigte, fand die schillernde Branchenbeste nur normal.

BERLIN .Daß sich die amerikanische Sport-Zeitschrift "Sports Illustrated" Ende vergangenen Jahres in einer ausführlichen Titelgeschichte mit dem Aufschwung des Damentennis beschäftigte, fand die schillernde Branchenbeste nur normal.Schließlich, so befand Martina Hingis, "sind wir doch viel hübscher als die meisten anderen Sportlerinnen".Die Schweizerin, vom amerikanischen "People"-Magazin einst zu einem der 50 schönsten Gesichter des Planeten gekürt, hält ihren Arbeitsplatz Centre Court ja sowieso für eine "Art Laufsteg": "Man produziert sich da nur ein bißchen anders als bei einer Modenschau."

Hingis, die erfolgreichste WTA-Hauptdarstellerin zum Ende des Jahrtausends, ist der Prototyp einer neuen Spielergeneration, bei der in einer perfekten Melange Sport und Show verschmelzen.Die Girlies des Wanderzirkus verkaufen nicht nur Vor- und Rückhand, Volleys und Schmetterschläge besser als ihre männliche Konkurrenz.Sie liefern abseits der Arenen auch die besseren Stories für die Jugendmagazine oder für die bunten Blätter der etwas betagteren Kundschaft.

Die vorerst letzte Top-Geschichte liefern dabei die sogenannten "Ghetto-Cinderellas", die amerikanischen Williams-Schwestern.Es sei der "Stoff, aus dem die Träume" für eine neugierige Öffentlichkeit und die Vermarkter des Damentennis seien, schreibt dazu die "Washington Post".Selbst die finstere Episode um den "Wunderheiler" Rainer Harnecker, der beinahe die Schweizer Top-Ten-Spielerin Patty Schnyder unter seinen Einfluß gebracht hätte, schafft enorme Publicity-Effekte - ganz nach dem elementaren Nachrichtengrundsatz "Bad news are good news".

Kein Wunder, daß sich auch der cineastische Impresario Arnon Milchan mit seinem Medien-Konglomerat "Regency Enterprises" auf die Damentennis-Szene kapriziert.Schon bald werde er versuchen, ein noch "größeres Spektakel" auf der WTA-Tour zu inszenieren und einige der Tennisgrößen auch in Filmproduktionen zu integrieren.1998 hatte Milchan, der Kinoknüller wie "JFK" oder "L.A.Confidential" in die Lichtspielhäuser brachte, die weltweiten Fernsehrechte an der WTA Tour erworben.

Auch ohne Milchans Einstieg konnte die WTA Tour bereits durchschlagende Erfolgserlebnisse in der Arena der medialen Vermarktung melden.In diesem Jahr hat eine mehrjährige Kooperation der WTA mit dem Pariser Sender Eurosport begonnen, der pro Saison etwa 200 Stunden von internationalen Schauplätzen übertragen will.Weitere 1200 Stunden Übertragungszeit teilen sich 50 lokale und internationale Netzwerke.Mit ihren Einschaltquoten hat die WTA mittlerweile mühelos die ATP-Tour der Herren überholt.1998 erreichte das Damentennis an den meisten Turnier-Standorten die höchsten Werte aller Zeiten.

In Deutschland ist das nicht anders.In dieser Saison liegt das Hannoveraner Damenendspiel zwischen Steffi Graf und Venus Williams mit 3,5 Millionen Zuschauern auf Platz eins der Tennis-Übertragungen.Dagegen kam ein German-Open-Viertelfinale am Hamburger Rothenbaum zwischen Marcelo Rios und dem deutschen Aufsteiger Thomas Haas auf die bescheidene Rate von 870 000 Zuschauern.Einer der erfahrensten Fernseh-Reporter Deutschlands, der ARD-Tennisexperte Volker Kottkamp, hält diese Entwicklung für "beinahe logisch"."Damentennis ist nachvollziehbar und bietet interessante Typen", sagt Kottkamp, "dieser Geschwindigkeits-Wahnsinn bei den Männern stößt häufig ab." Was sich im Herrencircuit etwa in Wimbledon abspiele, erklärt der ARD-Mann, "interessiert mich gar nicht mehr".Auch bei den Grand-Slam-Turnieren schalten nach Erhebungen der TV-Marktforschung mittlerweile weitaus mehr Zuschauer die Damenspiele an.Beim Jahresabschluß der Tour, den "Championships" im New Yorker Madison Square Garden, erreichten die Besucherzahlen Rekordhöhen: Allein an den vier Schlußtagen strömten fast 60 000 Zuschauer in den Broadway-Palast.

Es ist keine daher keine Überraschung, daß die WTA in den laufenden Verhandlungen mit der ATP-Tour über eine Zusammenlegung großer Turniere zu gemeinsamen Zehn-Tages-Events nicht als gnädig geduldeter Juniorpartner auftreten will.Die WTA gehe aus einer "gestärkten Position" in die Beratungen, sagt deren Chef Bart McGuire.Zur Zeit wird an eine Veranstaltungs-Partnerschaft etwa bei den Wettbewerben in Rom und Hamburg gedacht.Auch ohne die ATP-Allianz bleibt Tennis auf absehbare Dauer die weltweit am meisten nachgefragte Damensportart.Und die für ihre Hauptdarstellerinnen lukrativste Beschäftigung.Denn Tennis-Spitzenkräfte wie Martina Hingis zählen nicht nur zu den bekanntesten Athletinnen des Planeten, sondern auch zu den erfolgreichsten Einzelunternehmerinnen mit hohen Millioneneinkünften.Pro Saison gibt es 80 Millionen Mark zu verdienen.Schöne Summen für die schönen Gesichter des Wanderzirkus.

JÖRG ALLMEROTH

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