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Sport: Schöner fliegen im Duett

Von Christine-Felice Röhrs Ganz oben auf den beiden höchsten Sprungtürmen stehen zwei Jungs: beide weißhäutig, beide gleich groß, beide muskulös und blond, beide in der gleichen rot-blau gemusterten Badehose. Wie die Soldaten schreiten sie, getrennt nur durch zwei Meter Luft, nebeneinander im Stechschritt bis an die Spitze ihres Bretts, heben im Takt die Arme – und dann purzeln sie auch noch in sich exakt gleichenden Salti und Schrauben aus zehn Meter Höhe hinunter ins Becken.

Von Christine-Felice Röhrs

Ganz oben auf den beiden höchsten Sprungtürmen stehen zwei Jungs: beide weißhäutig, beide gleich groß, beide muskulös und blond, beide in der gleichen rot-blau gemusterten Badehose. Wie die Soldaten schreiten sie, getrennt nur durch zwei Meter Luft, nebeneinander im Stechschritt bis an die Spitze ihres Bretts, heben im Takt die Arme – und dann purzeln sie auch noch in sich exakt gleichenden Salti und Schrauben aus zehn Meter Höhe hinunter ins Becken. Spontaner Applaus am Rand – Synchronspringer sind wohl dann richtig gut, wenn der Zuschauer glaubt zu schielen.

Freitagvormittag. Sprunghalle im Bad an der Landsberger Allee. Wie reifes Obst fallen die Springer reihenweise von den Brettern und Türmen. Geplatsch und Geschrei hallt unter der Hallendecke wider. Das hier ist Karlheinz Ranischs Zuhause. Ranisch – 57, kräftig und grauhaarig – ist seit 25 Jahren Sprungtrainer, und nachher kommen „seine beiden Goldmädels“ zum Üben, die große Hoffnung der deutschen Synchronspringer: Conny Schmalfuß und Ditte Kotzian. Zusammen sind die 26- und die 23-Jährige vom Dreimeter- und Einmeterbrett schon Dritte bei der WM, Dritte beim Weltcup und Deutsche Meister geworden. Auch bei dieser EM gehören sie wieder zu den Favoriten – und das, obwohl sie äußerlich erst einmal kein gutes Synchron-Paar abgeben. Immerhin ist Ditte Kotzian viel größer als Conny Schmalfuß. Dass es trotzdem passt zwischen den beiden – eine glückliche Fügung.

„Man glaubt es vielleicht nicht, aber Synchronspringen ist oft Zufall“, sagt Karlheinz Ranisch: So viel können Trainer an der Synchronität nämlich gar nicht tun. Schon bevor das gemeinsame Training beginnt, müssen die Partner eine ähnliche Technik haben: ähnlich schnell drehen bei den Salti oder ähnlich hoch springen an der Brettspitze. Solche Übereinstimmungen sind Voraussetzung bei der Zusammenstellung eines Teams. Der Rest ist harte Arbeit: 70, 80 Sprünge pro Trainingseinheit sind üblich.

„Es dürfen übrigens nur die Sportler synchronspringen, die schon in den Einzeldisziplinen die Besten sind“, sagt Karlheinz Ranisch. „Denn wer schon das nicht beherrscht, wird mit den zusätzlichen Anforderungen bei der Synchronität erst recht nicht fertig.“ Außerdem werten die neun Kampfrichter ja nicht nur die Gleichheit bei Absprung, Luftakrobatik und Eintauchen, sondern auch die Qualität der beiden Einzelsprünge.

Und deshalb haben die Einzelsprünge beim Training auch Vorrang. Nur 20 Prozent ihres Trainings absolvieren Conny Schmalfuß und Ditte Kotzian zusammen – und dann oft an Land. In der Trockengrube zum Beispiel, wo sie von Einmeterbrettern in ein mit Schaumstoff gefülltes Loch springen, um den gemeinsamen Anlauf zu verbessern: Schmalfuß kommandiert „Und ab!“, dann folgen vier Anlaufschritte, einbeinig an den Brettrand, zweibeinig landen, abspringen und runter. Kotzian muss dabei berücksichtigen, dass sie neun Kilo schwerer ist als ihre Partnerin und weniger Kraft aufwenden muss, um auf dem federnden Brett in die gleiche Höhe zu springen. Wie immer sind auch beide Trainer dabei. Einer filmt mit der Videokamera.

An Land findet auch der Ballettunterricht statt, bei dem die beiden Springerinnen synchron tanzen müssen. Danach müssen Schmalfuß und Kotzian aufs Trampolin. Beides hat den Effekt, dass dabei das periphere Sehen geschult wird, die Fähigkeit also, im Augenwinkel zu erkennen, was die Partnerin tut. Auf dem Brett ist das noch von Vorteil – da können die Springerinnen in letzter Zehntelsekunde noch Schrittlänge oder Armhaltung angleichen. In der Luft lässt sich nichts mehr ändern, da sind sie allein.

Die häufigsten Fehler beim Synchronspringen sind unterschiedliche Drehgeschwindigkeiten, erklärt der Trainer. Das kann schon daran liegen, dass die Arme beim Absprung anders eingesetzt werden. Grundsätzlich muss sich der Langsamere dem Schnelleren anpassen. Bei gehechteten Sprüngen – bei denen sich die Salto schlagenden Springer nicht mit angezogenen Beinen zu einer Kugel zusammenrollen, sondern die Beine strecken – geht das zum Beispiel, indem der Oberkörper noch ein bisschen flacher an die Beine gepresst wird wie beim Klappmesser. Das verringert den Luftwiderstand. Gehechtete Salti sind die De-luxe-Ausführung eines Sprungs. Bei manchen drehen sich die Springer mit 780 Grad pro Sekunde um sich selbst.

Am Sonntag – das Finale beginnt um 16 Uhr 15 – werden Conny Schmalfuß und Ditte Kotzian zwei der fünf Sprünge gehechtet vorführen: die Zweieinhalb-Salti und Zweieinhalb-Auerbach-Salti. „Die haben einen sehr hohen Schwierigkeitsgrad“, sagt Karlheinz Ranisch. „Damit gehören meine Mädels zur Weltspitze.“ Mindestens Silber wollen sie erreichen, hat Conny Schmalfuß schon angekündigt. Schließlich ist dies ein Heimspiel.

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