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Olaf Scholz, 56, ist seit 2011 Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 2007 bis 2009 war der SPD-Politiker Bundesminister für Arbeit und Soziales.

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Scholz über Hamburgs Olympia-Bewerbung: "Hamburg ist schon lange eine Weltmetropole“"

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sieht seine Stadt im Kampf mit Berlin um eine deutsche Olympiabewerbung gut gerüstet. Ein Gespräch über den Vergleich mit der Hauptstadt und die Rolle der Bevölkerung.

Herr Scholz, der Wettbewerb um Olympische Spiele ist einer unter Weltmetropolen. Ist Hamburg denn eine Weltmetropole?

Schon lange. Hamburg hat kulturelle und kommerzielle Kontakte in alle Welt. Die Stadt unterhält diplomatische und konsularische Beziehungen schon seit vielen hundert Jahren. Der Blick der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt war stets auf die Welt gerichtet.

Im olympischen Städtewettbewerb verweisen die Berliner gerne darauf, dass Berlin schon die größten Sportereignisse ausgetragen hat, Hamburg dagegen die Universiade 2015 zurückgeben musste. Kann Hamburg da mithalten?
Hamburg bewältigt seit Jahren erfolgreich große Sportereignisse. Sonst hätte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) uns nicht nach unserer Bereitschaft gefragt, Olympische Spiele auszurichten. Wir haben übrigens keine Zweifel daran, dass Berlin mithalten kann. Es gehört nämlich ganz und gar nicht zum Stil eines Hamburgers, sich abfällig über andere zu äußern. Das werde ich auch nicht tun, selbst wenn Sie zehn Mal nachfragen. Da kann ich aus meiner Haut nicht raus. Weder als Sportsmann noch als Hanseat.

Das war nun der Fair-Play-Teil dieses Interviews.
Fair Play zeichnet sich dadurch aus, dass man es durchhält.

Sport besteht aber auch aus Wettbewerb.
Klar. Der DOSB überlegt, sich für die Spiele 2024 zu bewerben. Zwei Städte hält er als Austragungsorte für fähig, und er hat beide gefragt. Beide haben dazu Konzepte vorgelegt, die völlig eigenständig sind, aber den Anspruch haben, alle Vorgaben zu erfüllen.

Das heißt, Sie stellen sich nicht gegen Berlin auf, sondern neben Berlin?

So sehen das auch in Berlin hoffentlich alle. Es gibt ja gute Gründe, warum man diese beiden Städte gefragt hat. Es sind die beiden größten Städte Deutschlands. Im Großraum beider Städte leben jeweils rund fünf Millionen Bürgerinnen und Bürger. Beide Städte sind groß genug, um die Spiele auszurichten, sie sind durch eine ICE-Strecke verbunden und sie verfügen zum Beispiel auch über genügend Hotelkapazitäten. Für alles, was wir in Hamburg für Olympia neu bauen müssten, gibt es eine konkrete Nachnutzung. Wenn für das olympische Dorf zum Beispiel Wohnungen gebaut werden müssen, werden die hinterher vermietet oder verkauft.

Was sagen Sie denen, die behaupten, Deutschland könne international nur mit Berlin gewinnen?
Der DOSB ist offenbar der Meinung, dass Deutschland mit zwei Städten gewinnen kann.

Hamburg verfolgt mit der Bewerbung eine städtebauliche Vision und will bislang sozial schwache Stadtteile südlich der Elbe anbinden und aufwerten. Wird das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht eher abgeschreckt, wenn es sieht, dass sich Hamburg von den Spielen zuerst einen Brückenschlag über die Elbe erhofft?
Man muss wissen, was das IOC von Bewerberstädten erwartet. Das IOC möchte, dass die Bewohner der Bewerberstadt einen dauerhaften Nutzen von den Spielen haben, damit diese nicht wie ein Ufo ein- und wieder ausschweben. Für London hat unter anderem den Ausschlag gegeben, dass die Stadt den weniger entwickelten Osten der Stadt nach vorn bringen wollte. Auch für Hamburg wären die Spiele ein wichtiger Beitrag, die Stadt entlang ihrer Wasserstraßen ostwärts und über die Elbe südwärts weiterzuentwickeln. Wir könnten das, was wir ohnehin planen, beschleunigen.

Sie reden über Stadtentwicklung. Aber was ist der Beitrag Hamburgs zur olympischen Entwicklung?
Die älteste immer noch eigenständige Stadtrepublik Europas garantiert überschaubare, bürgernahe Spiele. Das Internationale Olympische Komitee kann am Beispiel der Stadtrepublik beweisen, dass es ohne Gigantismus geht. Und kann damit an die Tradition einer liberalen Bürgergesellschaft anknüpfen, die ihre Kraft und ihr Selbstbewusstsein stets aus ihrem besonderen Verständnis von Vielfalt und Fortschrittlichkeit schöpfen konnte.

Was meinen Sie damit?
Die Hälfte der Hamburgerinnen und Hamburger mit Migrationshintergrund hat einen deutschen Pass. Das zeigt, dass viele, die in Hamburg ankommen, hier auch Bürger werden wollen, mit deutscher Staatsangehörigkeit, mit allen Rechten und Pflichten. In keinem Bundesland ist die Einbürgerungsquote so hoch wie in Hamburg. Die Internationalität Hamburgs ist also nicht nur Folge von Handels- und Kulturbeziehungen, sondern drückt sich auch in ihrer Bewohnerschaft aus. Und das IOC und die internationale olympische Gemeinschaft verbinden ja mit den Spielen auch die Vorstellung von Gemeinschaft in der Vielfalt.

Überall in Deutschland sind Großprojekte in jüngster Zeit auf Widerstand gestoßen. Stellen Sie sich bei Ihrem Vorhaben ebenfalls darauf ein?
Man muss immer in der Lage sein, alle kritischen Fragen beantworten zu können. Deshalb haben wir eine klare Ansage gemacht: Hamburg wird von den Spielen profitieren, die Stadt wird sich dadurch weiterentwickeln, schneller, als das ohne die Spiele gehen würde. Noch zwei wichtige Punkte: Wir werden mit den Korruptionsbekämpfern von Transparency International zusammenarbeiten. Wir werden uns für die Spiele nicht verschulden. Und wir werden zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein Referendum abhalten, um die Meinung der Bürgerinnen und Bürger zu erfragen. Die entscheiden.

Wie hoch ist das Mecker- und Störpotenzial in Hamburg?
Hamburg ist eine Stadt mit einer langen republikanischen Tradition. Bei uns ist schon diskutiert worden, als woanders noch Fürsten das Sagen hatten. Eines ist ganz wichtig: Unsere Stadt ist ins Gelingen verliebt. Diese konstruktive Haltung ist nicht nur die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg der Stadt und ihren freien Geist, sie führt auch dazu, dass kritische Debatten nach vorne gerichtete Lösungen ermöglichen. Ich habe keinen Zweifel, dass die Volksabstimmung eine breite Zustimmung ergeben wird. Im Gespräch mit den Bürgern spüre ich sie.

Wann wäre ein günstiger Zeitpunkt für das Referendum?
Es geht nicht um günstig oder nicht günstig. Es sollte zügig gehen, denn wenn Deutschland seine Bewerbung einreicht, sollte diese Sache geklärt sein. Wir halten den April des kommenden Jahres für ein gutes Datum, sind da aber nicht festgelegt.

In Berlin gibt es Befürchtungen, das Desaster um den Flughafen BER könne der Olympiabewerbung schaden. Sie haben in Hamburg mit der Elbphilharmonie ähnliche Probleme. Ist das ein Nachteil für Ihre Bewerbung?
Wir haben bei der Elbphilharmonie bewiesen, dass wir das Problem lösen können. Ich habe mit dem Bauunternehmen hart und intensiv verhandelt. Wir haben einen Vertrag geschlossen, der seinesgleichen in Deutschland sucht und der sogar vom Steuerzahlerbund gelobt worden ist. In meiner Verantwortung wird es keine Nachforderung des Bauunternehmens mehr geben. Das Gebäude wird definitiv 2016 fertig sein.

Sie rechnen also nicht damit, dass die Elbphilharmonie ein Bürgervotum zu Olympia negativ beeinflusst?
Nicht mehr. Eher umgekehrt: „Die können das“, dürften die Hamburgerinnen und Hamburger über ihre jetzige Regierung sagen.

Trauen Sie denn dem IOC zu, die Spiele so transparent zu halten, dass der Hamburger Kaufmannsverstand ihm auch zustimmen kann?
Ich traue das dem IOC zu. Wenn das IOC neben der Frage der Transparenz etwa die Frage der Nachnutzung so sieht wie wir, wäre Hamburg vielleicht sogar eine ideale Lösung.

Sie wollen die Verträge mit dem IOC transparent halten. In den meisten Verträgen gibt es Verschwiegenheitsklauseln. Glauben Sie, dass Sie das IOC dazu bewegen können, so viel wie möglich zu veröffentlichen?

Vorweg: Hamburg ist das deutsche Bundesland, in dem es ein Transparenzgesetz gibt. Das Gesetz sieht vor, dass auf Verschwiegenheitsklauseln, so weit es irgend geht, verzichtet werden soll. Wir haben sicher nicht immer die Macht, das auch durchzusetzen, aber wir haben immer den Willen dazu. Ich kann mir vorstellen, dass es auch andernorts ein wachsendes Interesse an Transparenz gibt. Denn viele Unterstellungen würden ja bei Einsicht in manche Verträge gar nicht bestätigt werden. Ich kann also allen nur raten, auf unsere Vorschläge einzugehen, alles zu veröffentlichen und transparent zu machen.

Wer wird Hafenmeister? Eine Computeranimation zeigt das Olympiastadion und das geplante Olympiagelände auf dem Kleinen Grasbrook im Hafen von Hamburg.
Wer wird Hafenmeister? Eine Computeranimation zeigt das Olympiastadion und das geplante Olympiagelände auf dem Kleinen Grasbrook im Hafen von Hamburg.

© picture alliance / dpa

Wozu braucht Deutschland ein drittes Olympiastadion?
Deutschland braucht nur dann ein Olympiastadion, wenn Olympische Spiele sind – also alle paar Jahrzehnte. Deshalb folgt unser Konzept auch der Londoner Idee. London hat das Olympiastadion so errichtet, dass es auf ein Fassungsvermögen von 20 000 Zuschauern zurückgebaut werden kann.

… aber London hat einen Fußballklub, der dort spielt …
… wir haben ebenfalls eine Konzeption für ein 20 000er-Stadion, das während der wenigen Tage der Olympischen Spiele vergrößert als Olympiastadion genutzt werden kann. Ich finde es eigentlich ganz gut für eine entspannte Entscheidung, dass die erforderlichen Investitionen in Sportstätten in Berlin und Hamburg etwa gleich groß sind. Unsere sind vielleicht sogar etwas geringer.

Also doch ein Vergleich mit Berlin?
Nein, die Differenz ist so gering, dass das kein Kriterium ist.

Aber wozu könnte Ihr Olympiastadion nach den Spielen gut sein, gerade weil Sie keinen Fußballklub haben wie West Ham United, der dort spielt?
Wir brauchen ein Regionalligastadion, das wir in Hamburg nicht haben und immer schon errichten wollten.

Ein Olympiastadion wird zum Regionalligastadion?
Wenn es zurückgebaut ist. Das ist eine völlig vernünftige Situation. Wir mögen keine weißen Elefanten.

Herr Scholz, um den Zuschlag zu bekommen, müssen Sie die eigene Bevölkerung überzeugen, den DOSB und das IOC. Was ist am schwierigsten?
Der erste Schritt ist, die Hamburgerinnen und Hamburger zu überzeugen. Ansonsten sehen wir die Sache sportlich.

Wie beurteilen Sie Ihre Lobby beim DOSB?
Wir haben uns geschworen, dass wir all das nicht machen, was im Entscheidungsprozess zu Recht für schlechte Gefühle sorgt. Es hat viel Kritik gegeben an der Beeinflussung von Entscheidungen im Sport. Wir werden uns an so etwas nicht beteiligen. Die Verantwortlichen werden schon selbst wissen, was zu tun ist.

Wenn Deutschland die Fußball-Europameisterschaft 2024 austrägt, sollte man dann einen Super-Sportsommer mit Olympischen Spielen anstreben?

Erstens finde ich, dass wir 2024 wirklich anstreben sollten. Wenn wir 2017 über alle Stufen den Zuschlag bekämen, könnten wir alle notwendigen Arbeiten bis 2024 ohne Verzögerungen hinbekommen. Es muss eine ernsthafte Bewerbung für 2024 sein, keine, die als Übung für das nächste Mal missverstanden werden könnte. Man muss schon beim ersten Mal Erfolg haben wollen. Zweitens kann Deutschland beide Ereignisse gut verkraften. Es gibt genügend Möglichkeiten, dass sich beide Wettbewerbe nicht ins Gehege kommen, sondern einander verstärken als große Feste.

Das Gespräch führten Hans Monath und Friedhard Teuffel.

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