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Verpasst. Philipp Kohlschreiber ist bei Olympia wieder nicht dabei. Foto: dpa

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Sport: Schräge Priorität

Die kurzfristige Absage von Tennisprofi PHILIPP KOHLSCHREIBER wirft Fragen auf.

Das schmale Bild wackelte, und Philipp Kohlschreiber, der sich im Halbschatten herumdrückte, blinzelte gegen die Sonne ins Kameraobjektiv. Dass er nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen könne, wurde in diesem amateurhaften Handyvideo zumindest schnell deutlich. Doch die genauen Gründe für seine Absage blieben in der kurzen Stellungnahme zunächst unklar. Kohlschreiber stammelte erst etwas von einem verhärteten Fuß, dann verhaspelte er sich und sprach danach noch von leichten Einrissen im Oberschenkel. Am Ende wurde es in einer offiziellen Stellungnahme des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) eine „Adduktorenzerrung im rechten Bein“.

Kohlschreiber hatte das Video in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht, kurz nachdem er das Finale von Kitzbühel am Samstagnachmittag verloren hatte. Der DOSB indes wusste nichts von der Absage, erfuhr erst auf Nachfrage von Journalisten am Abend davon und gab danach eine kurze Pressemitteilung heraus. Patrik Kühnen, der Teamleiter der deutschen Tennis-Equipe in London, betonte, er sei am späten Nachmittag von Kohlschreibers Management und auch noch von ihm selbst kontaktiert worden. „Für mich ist nur entscheidend, dass Philipp mit mir gesprochen hat“, erklärte Kühnen, der von der Videobotschaft jedoch auch erst von Journalisten hörte und sich nicht dazu äußern wollte. So sehr sich der Teamchef, wie auch Vertreter des Deutschen Tennisbundes, um diplomatische Contenance bemühten, vermochten sie den faden Eindruck doch nicht aufzubessern, den Kohlschreiber hinterlassen hatte.

„Philipp war in guter Form“, sagte Kühnen, „er wollte unbedingt bei Olympia mitspielen.“ Doch genau daran wurde in den letzten Wochen oft gezweifelt. Denn Kohlschreiber äußerte sich stets zurückhaltend über das Thema, sagte, er wolle sich erst nach den Spielen festlegen, was sie für ihn wohl bedeuten würden. Offenbar nicht genug, um das Turnier in Kitzbühel direkt im Vorfeld abzusagen, das für Kohlschreiber durch die Involvierung seines Sponsors besonders lukrativ ist. „Ich musste meine Turnierplanung schon vor Wochen festlegen“, verteidigte sich Kohlschreiber. Aus dem Umfeld der deutschen Mannschaft war jedoch längst durchgesickert, dass der 28 Jahre alte Augsburger offenbar mehrfach gesagt hatte, dass Olympia nicht seine erste Priorität sei.

Dabei hatte Kohlschreiber schon vor vier Jahren sehr kurzfristig auf die Spiele verzichtet. In Peking gab er eine Oberschenkelblessur an. Teamintern soll es aber atmosphärische Störungen gegeben haben, die wohl schwerer wogen als die leichte Verletzung. Dieses Mal hat Kohlschreiber ein Attest.

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