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Sport: Schüchtern und stark

Der sensible und introvertierte Torjäger Adrian Ramos ist Herthas derzeit wirkungsvollster Spieler

Berlin - Neulich machte Adrian Ramos wieder so ein Gesicht, als er den Trainingsplatz verließ und er hinter der Absperrung 15, vielleicht auch 20 Fans sah, die auf Autogramme von und Fotos mit den Fußballprofis von Hertha BSC lauerten. Adrian Ramos war sehr gefragt, und natürlich gab er Autogramme und lächelte in manche Linse. Aber Gefallen wird er an diesem Tätigkeitsfeld nicht mehr finden. Was daran liegen mag, dass der Kolumbianer außerhalb des Platzes als scheu und introvertiert gilt. An Rangeleien im Training (siehe Kasten) beteiligt er sich nicht.

Manchmal kann man sich nur schwer vorstellen, dass derselbe Adrian Ramos auf dem Platz Berlins wertvollste Waffe ist. Seit 2009 stürmt der feingliedrige Südamerikaner für Hertha. In den beiden Spielzeiten war er jeweils erfolgreichster Angreifer. Trotz seiner zehn Tore (und fünf Torvorlagen) konnte der Abstieg nicht verhindert werden. In der Zweitligasaison trug er mit 15 Toren und zehn Torvorlagen erheblich zum Wiederaufstieg bei und bestätigte das Vertrauen von Michael Preetz. Herthas Manager hatte im Abstiegssommer um den Verbleib von Ramos gerungen. Anders als etwa der Brasilianer Raffael war Ramos der einzige, der nicht auf Teile seines Gehaltes verzichten musste. Das war eine seiner Bedingungen, in Berlin zu bleiben. Denn es gab zahlreiche Anfragen für ihn. Ramos hatte gute Argumente. Ohnehin war er kein Großverdiener wie Raffael, andererseits wollte er nicht aus dem Blickfeld für die Nationalelf seines Heimatlandes geraten. In der Bundesliga gab es diese Gefahr nicht. Preetz konnte Ramos überzeugen.

Inzwischen sogar ein weiteres Mal. „Adrian ist ein zentraler Spieler für uns“, sagte Preetz und handelte. Vor einem Monat wurde der Vertrag um zwei Jahre bis 2015 verlängert. Natürlich zu verbesserten Konditionen. Der 25-Jährige fühlte sich für seinen Geschmack lange unterbezahlt. Das wurde korrigiert, inzwischen ist sein Jahressalär siebenstellig.

Für viele ist Ramos Herthas größtes Versprechen auf den Klassenerhalt. Und das, obgleich in Pierre-Michel Lasogga in der vergangenen Spielzeit ein 19-jähriges Talent mit Wucht Tore und sich in den Vordergrund schoss. Doch im allgemeinen Lasogga-Taumel ist der breiten Öffentlichkeit ein wenig abhanden gekommen, dass Ramos zwei Tore mehr erzielte. Sein vielleicht größter Vorteil Lasogga gegenüber ist, dass Ramos schon den Nachweis erbracht hat, auch in der Bundesliga zu treffen.

Es wird interessant werden, wie Trainer Markus Babbel die Situation um seine Topstürmer lösen wird. Am vergangenen Wochenende hatte Babbel für das Spiel beim Hamburger SV auf Lasogga in der Startformation verzichtet. Dafür ging Ramos in die Spitze. So dürfte es auch für das Spiel bei Hannover 96 am Sonntag sein. Den Platz des Kolumbianers im Mittelfeld übernahm zuletzt Raffael. Der Brasilianer brachte Kreativität ins Spiel, und Ramos wirbelte die Hamburger Innenverteidigung durcheinander. Das tat nicht nur der Spielkultur der Berliner gut, sondern auch den beiden Spielern. Sie sind eben nicht beliebig ersetzbar aus der Breite des Berliner Kaders. In der Zweiten Liga wirkten sie verschenkt, in der Bundesliga könnten sie andere, bessere Klubs schmücken.

Im Unterschied zu Lasogga kennt Ramos die Liga. Zwar wirkt der Kolumbianer im Vergleich zum massigen Lasogga fast zerbrechlich, aber dieser Eindruck täuscht. „Von der Intensität her, vom Zweikampfverhalten ist das ganz anders – das muss Pierre-Michel lernen“, sagt Babbel. Über Ramos äußert sich der Trainer derzeit auffallend positiv. „Er bringt alles mit, ist unglaublich athletisch, technisch gut. Er hat ein sehr gutes Finish, kann Tore machen und Tore vorbereiten.“

Tatsächlich ist der kolumbianische Nationalspieler (20 Einsätze) in bestechender Verfassung. Dass er für sein Heimatland die Copa America gespielt und daher weniger Urlaub hatte, hat sich nicht negativ ausgewirkt. Und wenn er auf seiner Lieblingsposition spielen darf, ist die Welt für ihn in Ordnung. „Er fühlt sich am wohlsten in der Mitte, da steht ja auch das Tor“, sagt Babbel. „Aber er kann auch links spielen.“ Das muss Babbel auch sagen, denn so ließ sich bisher der Konflikt lösen: Ramos rückte auf die linke Seite, das Zentrum war für Lasogga frei.

Doch es gibt Kritiker, die Ramos auf der Außenbahn für verschenkt halten. Zumal er das auch selbst denkt. Und so zieht es ihn allzu oft in die Mitte, um selbst in Abschlussposition zu kommen. Dann aber fehlen die Durchstöße bis zur Grundlinie und damit die Flanken. Er sieht sich eher als Spieler, der die Flanken veredelt. Diesen Teil seines Berufes liebt er.

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