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Sport: Schuldig, aber frei

Leichtathletiktrainer Springstein erhält wegen Dopings einer Minderjährigen eine Bewährungsstrafe

Thomas Springstein verließ den Gerichtssaal mit einem spöttischen Grinsen und einem zynischen Kommentar: „Wunderbar.“ So finde er das Urteil, das gerade Richterin Astrid Raue gegen ihn verkündet hatte. Das Amtsgericht Magdeburg hat dem 47 Jahre alten Leichtathletiktrainer nicht geglaubt, dass er die bei ihm gefundenen Dopingmittel selbst genommen hatte. Es hat vielmehr der jungen Sprinterin Anne-Kathrin Elbe geglaubt, die ausgesagt hatte, von Springstein im Alter von 16 Jahren mindestens zwei Kapseln mit Dopingmitteln erhalten zu haben. Dafür verhängte das Gericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Außerdem muss Springstein 150 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Wenn der 47-Jährige nicht innerhalb einer Woche Rechtsmittel einlegt, ist das Urteil rechtskräftig.

Oberstaatsanwalt Wolfram Klein, der in seinem Plädoyer ein Jahr und sechs Monate Strafe gefordert hatte, sagte sogar: „Springstein ist im wahrsten Sinne des Wortes als Dopingmittel-Dealer aufgetreten, und zwar über einen längeren Zeitraum.“ Es sei bewiesen, dass Springstein zwischen 1998 und 2004 im In- und Ausland Dopingmittel bestellt und an mehrere Spitzenathletinnen weitergegeben habe. Bei der Dopingabgabe an Anne-Kathrin Elbe handele es sich um einen besonders schweren Fall, weil Springstein seine minderjährige Athletin nicht über die Risiken der Kapseln informiert habe. „Er hat die Gesundheitsgefahr ausgeblendet und, wie zu DDR-Zeiten üblich, gesagt: Das sind Vitamine.“

Die Verteidigung forderte dagegen einen Freispruch. „Die Aussagen der Zeugin tragen keinen Schuldspruch“, sagte Rechtsanwalt Johann Schwenn. Sein Kollege Peter-Michael Diestel sagte: „Die Vergabe von zwei Kapseln mit dem Dopingmittel Andriol ist vollkommen sinnlos, es müssten schon acht bis zehn am Tag sein.“ Die sichergestellten E-Mails und Briefe zeigten nur, dass Springstein sich intensiv mit Doping beschäftigt habe, mehr aber nicht. Diestel blieb auch bis zum Schluss bei seiner Auffassung, hinter Elbes Aussage stecke eine Ost-West-Intrige. Die Sprinterin war aus Springsteins Magdeburger Trainingsgruppe zu Bayer Leverkusen gewechselt. Springstein selbst machte keine Aussage.

Auf ein Urteil gegen Springstein hatte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) 13 Jahre lang gewartet. 1992 war Springstein schon einmal an einem Manipulationsskandal beteiligt, es ist bis heute einer der größten im deutschen Sport. Beim SC Neubrandenburg hatte er den Sprinterinnen Katrin Krabbe, Grit Breuer und Manuela Derr die Substanz Clenbuterol gegeben. Die stand zwar nicht auf der Dopingliste, wirkte jedoch wie ein verbotenes anaboles Steroid. Die Athletinnen wurden wegen Medikamentenmissbrauchs gesperrt, Springstein entzog sich einem Sportgerichtsverfahren, indem er aus seinem Verein austrat.

Während Sprintweltmeisterin Krabbe im Zuge der Affäre ihre Karriere beendete, kehrte Springsteins Lebensgefährtin Grit Breuer nach ihrer Sperre auf die Laufbahn zurück. 2002 wurde Springstein dank Breuers Erfolgen in Deutschland sogar zum Leichtathletiktrainer des Jahres gewählt. Die Gerüchte ließen jedoch nicht nach, dass er seinen Läuferinnen auch mit verbotenen Mitteln Beine mache. Beweise gab es nicht. Bis Anne-Kathrin Elbe im Sommer 2004 einem Bundestrainer anvertraute, Springstein habe ihr ein Fläschchen mit Kapseln und Tabletten gegeben. Wie sich herausstellte, handelte es sich um das Mittel Andriol, es enthält das männliche Sexualhormon Testosteron-Undecanoat. Genommen habe sie das Mittel jedoch nicht. Der DLV erstattete Strafanzeige gegen Springstein. Bei der Hausdurchsuchung fand die Polizei neben 60 Kapseln mit Andriol weitere Substanzen, die auf der Dopingliste stehen, darunter Insulin und Wachstumshormon. Es kam zum Prozess.

Nach Elbes Aussage und einem erfolglosen Befangenheitsantrag gegen das Gericht drohte das Verfahren lange anzudauern. Daran hatten weder die überlastete Staatsanwaltschaft Magdeburg noch Springstein ein Interesse. Deshalb einigten sich beide Seiten darauf, die Beweisaufnahme am Montag, dem siebten Verhandlungstag, vorzeitig zu schließen. Die Staatsanwaltschaft verzichtete gar auf ein Schuldeingeständnis Springsteins. Bei einem solchen würde der Trainer ohnehin ein Verfahren wegen Falschaussage riskieren, denn er hatte vor dem Landgericht Hamburg eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, nie Dopingmittel weitergegeben zu haben. Oberstaatsanwalt Klein kündigte an, die Prozessakten dem Hamburger Gericht zu übermitteln.

Sowohl das schnelle Ende des Verfahrens als auch das Ergebnis fand im Sport wenig Begeisterung. „Eine abschreckende Wirkung im Kampf gegen Doping geht von diesem Ergebnis nicht aus“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop und bedauerte, dass nicht weitere Zeugen gehört worden sind. Roland Augustin, der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur, sagte: „Ich hätte mir ein härteres Urteil gewünscht.“

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