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Sport: Schwarz-Rot-Gold Miyazaki Die deutsche Nationalmannschaft kapselt sich in Japan von der Außenwelt ab

Von Stefan Hermanns Miyazaki. Ausländer aus dem Westen haben es nicht leicht in Japan.

Von Stefan Hermanns

Miyazaki. Ausländer aus dem Westen haben es nicht leicht in Japan. Oft scheitern sie schon an den fremden Schriftzeichen. Straßenschilder mit Hinweisen in lateinischen Buchstaben gibt es fast nicht. Nur in Miyazaki, der 310 000-Einwohner-Stadt auf der Insel Kyushu, ist es im Moment relativ einfach, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu finden. Vom Flughafen muss man einfach nur den schwarz-rot-goldenen Fahnen folgen, die auf zehn Kilometer Länge im Abstand von zehn bis fünfzehn Metern am Straßenrand stehen. Irgendwann kommt man genau zum Sheraton Phoenix Golf Resort im Ferienpark Seagaia.

Seit Donnerstag wohnen dort Deutschlands beste Fußballer, um sich auf ihr erstes WM-Spiel am kommenden Samstag in Sapporo gegen Saudi-Arabien vorzubereiten. Nach elf Stunden Flug und knapp 9300 Kilometern landete der Tross des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gestern um acht Uhr Ortszeit (ein Uhr MESZ) auf dem Flughafen Miyazaki an der japanischen Pazifikküste.

Zweieinhalb Stunden später standen die Spieler zum ersten Mal auf dem Trainingsplatz. So schön wie am ersten Tag wird es für die Mannschaft von Teamchef Rudi Völler vermutlich nicht mehr oft werden: ein bisschen laufen, ein bisschen dehnen, zum Schluss ein paar Bälle aufs Tor schießen und das alles bei vergleichsweise angenehmen Temperaturen von rund 22 Grad. „Wir werden einige Tage brauchen, um uns vom Jetlag loszureißen“, sagt Völler. Doch wenn das geschafft ist, droht schon das nächste Problem. Spätestens Mitte Juni beginnt im Süden Japans die Regenzeit: mit Tagen im trüben Einheitsgrau, Luftfeuchtigkeitswerten nahe der Höchstgrenze und Temperaturen um die 30 Grad.

Noch aber sind alle zufrieden mit dem Quartier. „Traumhafte Bedingungen sind das“, sagt Rudi Völler, und auch der nachnominierte Lars Ricken hätte „nicht erwartet, dass wir hier so einen guten Trainingsplatz haben". Es gibt sogar noch einen zweiten Platz, auf dem die Nationalelf immer dann trainieren wird, wenn ihr niemand bei der Arbeit zuschauen darf. Dieser geheime Platz soll noch besser sein. Doch außer guten Trainingsmöglichkeiten bietet Seagaia nur wenig Abwechslung.

Der 700 Hektar große Ferienpark stand lange vor der Pleite. Im Herbst schließt der Ocean Dome, ein riesiges überdachtes Spaßbad für 10 000 Besucher, ein komplettes Hotel steht bereits leer, und auch die anderen Unterkünfte sind alles andere als überbucht. Immerhin soll sich jetzt ein amerikanischer Investor gefunden haben, der als Retter des Komplexes einspringen will. Doch im Vergleich zu Seagaia pulsiert im holsteinischen Malente, der Mutter aller trostlosen WM- Vorbereitungsquartiere, geradezu das pralle Leben. „Wir sind ja nicht zum Urlaub hier“, sagt der Berliner Marko Rehmer, der seine Schulterverletzung auskuriert hat und wieder das volle Trainingsprogramm bestreiten kann. Aber über ein bisschen Abwechslung hat sich noch niemand beschwert.

Im Spielerkreis sorgte Christian Ziege für ein wenig Aufregung mit seiner schwarz-rot-goldenem Irokesenfrisur. „Wenn seine Flanken gut kommen, dann gefällt mir der Schnitt“, sagt Völler. Auch andere waren beim Friseur. Angesichts der vielen Kurzhaarfrisuren um ihn herum kam sich Lars Ricken zwar „allgemein wie beim Bund vor“, doch die Zeiten sind eigentlich vorbei, da die DFB-Nationalspieler wie Soldaten in kargen Sportschulen kaserniert wurden. Der Effekt war selten der, den sich die strengen Bundestrainer erhofft hatten. 1974, während der WM in Deutschland, flohen einige Spieler heimlich aus der Sportschule in Malente und vergnügten sich die ganze Nacht über im nahe gelegenen Hamburg, und 1982 degenerierte die gezielte Vorbereitung der Nationalspieler auf das Turnier in Spanien sogar zum gezielten Ausdauertrinken. Der Schluchsee, an dem die Mannschaft wohnte, hieß anschließend nur noch Schlucksee.

Verglichen mit den Quartieren aus ElfFreunde-seligen Urzeiten bietet das Hotel der Nationalmannschaft in Miyazaki den gewohnten Komfort. Zwei komplette Etagen mit insgesamt 70 Zimmern hat der DFB gemietet, dazu die Dachterrasse mit Blick auf den Pazifik. Der vielleicht störende Kontakt mit der Außenwelt wird damit auf ein absolut notwendiges Minimum reduziert – dabei ist die Außenwelt ohnehin fast nicht existent. „Ich habe noch überhaupt keinen anderen Menschen im Hotel gesehen“, sagt DFB-Direktor Bernd Pfaff. „So muss das sein“, sagt der Schalker Gerald Asamoah. Vielleicht ändert er seine Meinung noch in den nächsten drei Wochen.

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