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Sport: Schweben beim Quickstep

Das Berliner Paar Robert Kaesler und Nora Thierse erklärt die Faszination am Standardtanz

Berlin. Früher haben sie sich nicht gemocht, dafür viel gezankt. „Ich habe oft geheult“, sagt Nora Thierse und lacht. Ihrem Tanzpartner ging es ähnlich: Robert Kaesler wurde in jungen Jahren mit dem gleichaltrigen Mädchen nicht so recht warm. „Latein ging gar nicht, wir konnten unsere Gefühle nicht verheimlichen“, sagt Kaesler. Aber die Mutter von Nora, die ihre erste Trainerin war, hat die beiden im Alter von zehn Jahren zusammengebracht. Anfangs keine glückliche Liaison. „Aber meine Mutter lag doch richtig“, sagt Thierse. Denn mittlerweile verstehen sich beide blendend und haben es bis in die Sonderklasse, die höchste deutsche Amateurklasse gebracht.

Am Sonnabend (Beginn 13 Uhr, Horst-Korber-Zentrum) startet das Paar bei den Deutschen Meisterschaften in den Standardtänzen (Langsamer Walzer, Tango, Wiener Walzer, Slowfox, Quickstep). Hohe Ziele können die dreimaligen Berliner Vizemeister nicht anpeilen. Nach vielen Verletzungen sind sie weit zurückgefallen. „Wir wissen nicht, wo wir stehen, im Moment sind wir einfach zu wenig konstant“, sagt Kaesler.

Allerdings nur in ihren Leistungen. Denn dass sich beim Tanzsport ein Paar so lange treu bleibt – mittlerweile seit 16 Jahren – ist eher ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist auch die Familie von Nora Thierse. Denn die Sport-Studentin stammt aus einer Familie mit Tanz-Tradition. Ihr Großvater Fred Schmidt-Hutten gründete vor 69 Jahren die Tanzschule am Bürgerpark in Pankow und setzte damit eine kleine Familien-Dynastie von Tanzlehrern in Gang: neun sind es bereits. Thierse unterrichtet selbst auch. Mittlerweile leitet ihre Schwester, Ina Dohle, die Tanzschule des Anfang der Siebzigerjahre verstorbenen Großvaters. Als Junge lernte dort auch der spätere Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, die ersten Tanzschritte. Beim alten Schmidt-Hutten persönlich.

Aber das ist lange her. Die Grundschritte sind bis heute noch die gleichen. Der Tanzsport aber hat sich weiterentwickelt. „In den vergangenen zehn Jahren ist alles sportlicher, akrobatischer und schneller geworden“, sagt Kaesler. Einzelne Figuren wurden aus anderen Tanzrichtungen oder sogar aus dem Eiskunstlauf übernommen. Dafür trainieren die Berliner fünf bis sechs Mal die Woche je eineinhalb Stunden. Da Kaesler berufstätig ist, geht das aber erst um 22 Uhr. Das ist zu wenig, um sich in der absoluten deutschen Spitze zu etablieren, oder um davon leben zu können. Doch die Faszination, im Rampenlicht stehen zu dürfen, ist Lohn genug, findet Thierse: „Da bekommt man eine Gänsehaut, und wenn alles passt, dann schwebt man.“ Den Sieg unter den 180 Paaren werden sich am Sonnabend die dreifachen Deutschen Meister, Sascha und Natascha Karabey aus Frankfurt, wohl kaum nehmen lassen. Aber das geht für Thierse und Kaesler in Ordnung. So wichtig nehmen sie sich nicht. „Wir lachen immer, wenn wir uns vertanzen“, sagt Kaesler. Hoffentlich hat das Paar am Sonnabend nicht viel zu lachen. Oder doch?

Jörg Petrasch

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