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Giro d'Italia 15. Etappe - Di Luca verteidigt Rosa Trikot

© epa POOL

Sport: Schweigen beim Giro

Italiens Radsport reagiert beim Thema Doping reserviert - und die Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt

Eigentlich ist der 90. Giro d’Italia ein Giro wie jeder andere. Die Mailänder Tageszeitung „Gazzetta dello Sport“, die die Rundfahrt organisiert, schwärmt wie eh und je von „epochalen Taten“ der Radprofis. Insbesondere jetzt, da der Tross die Alpen durchquert. Doch die Art, in der sich die Fahrer die Gipfel mühsam hinaufquälen, hat eher etwas Melancholisches als etwas Begeisterndes. Alles wirkt nicht mehr so leichtfüßig wie im vorigen Jahr oder gar in den Neunzigerjahren, als die Radprofis fabelhafte Durchschnittsgeschwindigkeiten erstrampelten. Der Radsport sieht so aus, als hätte er wieder eine menschliche Note gewonnen. Schon bei den Frühjahrsklassikern waren die Fahrerfelder versprengter als gewohnt. Weil weniger gedopt wird? Das weiß so recht keiner mehr.

Erik Zabels Sprinterqualitäten wurden beispielsweise auch in Italien jederzeit geschätzt. Als der Sprintstar unlängst unter Tränen seine Doping-Vergangenheit zugab, machte ihn das für die italienischen Tifosi eher sympathisch und ein bisschen menschlich. Der derzeit beim Giro führende Danilo Di Luca zeigte im Gegensatz zu dieser Wahrnehmung ein demonstratives Unverständnis, ja eine harte Ablehnung gegenüber dem geständigen Dopingsünder. „Ich verstehe nicht, warum die Radrennfahrer gerade jetzt auspacken, welchen Grund sie dafür haben. Wahrscheinlich liegt es daran, dass es zur Mode geworden ist“, sagte der 31 Jahre alte Profi abschätzig.

Auf der 15. Etappe des Giro d’Italia von Trient zu den Dolomitengipfeln in Lavaredo hätte Danilo Di Luca sein Rosa Trikot des Führenden beinahe verloren. Der Kapitän des Teams Liquigas überwand aber seine leichte Krise und führt jetzt vor Eddy Mazzoleni und dem jungen Luxemburger Andy Schleck. Die ärgsten Rivalen Gilberto Simoni und Damiano Cunego haben schon einen Rückstand von mehr als drei Minuten auf Di Luca. Doch der Führende, der das neue Gesicht des italienischen Radsports sein will, hat auch mit den Schatten in seiner Biografie zu kämpfen. Die kritische Öffentlichkeit wirft ihm eine gefährliche Nähe zu einem jener Ärzte vor, gegen den der italienische Radsportverband bereits wegen Dopings Sanktionen ausgesprochen hat. Es geht um den Mediziner Carlo Santuccione, den Di Luca als seinen Freund deklariert.

Als Gipfel der Heuchelei empfanden die Tifosi hingegen die Dopingbeichte des einstigen Tour-Siegers Bjarne Riis. Kein ganzes Jahr ist es her, dass Riis als Sportlicher Leiter des CSC-Teams Ivan Basso wegen Dopingverdachts ausgeschlossen hat. Riis stellte danach Basso in aller Öffentlichkeit als Lügner hin. Eine Kategorie, unter die nun auch Bjarne Riis bei den italienischen Radsportfans fällt.

Liegt es am pragmatischen Grundgefühl, das Italiener kennzeichnet, dass sie so gedämpft auf die deutschen Dopingskandale reagieren? Dass der Giro einfach weitergeht, als sei nichts passiert? Oder ist es vielleicht so, dass mancher im Radsport hofft, die Enthüllungswelle werde schon irgendwann abebben? Der Präsident des Welt-Radsport-Verbandes Pat McQuaid kommentierte die Dopingbekenntnisse mit einer seltsamen Art von Zweckoptimismus: „Wichtig ist das Aufbrechen der Mauer des Schweigens und der Anfang, einen anderen Radsport zu sehen, und zwar frei von Doping.”

Warum Jan Ullrich schweigt: Seite 2

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