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Sport: Schweiß gegen Talent

Schottlands Trainer Berti Vogts setzt im EM-Relegationsspiel gegen Holland auf seine alten Kampf-Tugenden

London. Manchmal braucht sogar Berti Vogts Rat, und den holte sich der Trainer der Schotten von einem Trainer und Schotten: Alex Ferguson vom Englischen Meister Manchester United gab Vogts Tipps, wie die schottische Nationalmannschaft am Samstag gegen Holland gewinnen kann. Die Schwachstelle, verriet Ferguson seinem Kollegen, sei Jaap Stam. Der Verteidiger spielte lange bei Manchester, und so kam Fergusons Optimismus vor dem ersten EM-Relegationsspiel mit einiger Autorität: „Das wird nicht der Durchmarsch für Holland.“

Es spricht für Vogts, dass er sich Rat geholt hat. Schließlich kann sich sein eigenes Hollandwissen durchaus sehen lassen. Nahe der Grenze geboren, kann er den Schotten in diesen Tagen glaubhaft versichern: „Ich kenne die Mentalität der Niederländer.“ Besiegt hat er sie auch schon: In der Schön-Truppe von 1974 war Vogts der Schwerstarbeiter hinten rechts. Wenn Fergusons Hinweis jedoch als Aufforderung gemeint war, die holländische Verteidigung erbarmungslos unter Druck zu setzen, ist er nicht angekommen. Vogts hat zwar sieben Stürmer im Aufgebot, er wäre aber schon mit einem 0:0 zufrieden – um dann im Rückspiel ein 1:1 zu erkämpfen.

Vogts entwirft also wieder einmal sein Lieblingsszenario: vom Kampf der Underdogs gegen die Stars, vom Schweiß, der sich gegen Talent durchsetzen muss. Auch 1974 sei das nicht anders gewesen, erzählte Vogts den britischen Zeitungen: „Ich spielte damals gegen Holland im WM-Finale, und abgesehen von Franz Beckenbauer waren alle ihre Spieler besser als unsere.“ Ebenso, als er mit den Deutschen 1996 die Europameisterschaft gewann. Auch damals lautete des Trainers Mantra: „Die Mannschaft ist der Star.“

Leider kann man das über die derzeitige schottische Mannschaft nicht sagen. Sie verfügt über einen Halbstar, Paul Lambert, und der ist verletzt. Auch Colin Cameron steht nicht zur Verfügung. Aus Barry Ferguson kann durchaus noch ein Star werden. Auch aus Darren Fletcher, dem 19-jährigen Mittelfeldspieler von Manchester United, der im letzten Qualifikationsspiel gegen Litauen kurz nach seiner Einwechslung ein Tor schoss und den Schotten so den Einzug in die Relegationsrunde ermöglichte. Ihn hatte Ferguson Vogts noch einmal besonders ans Herz gelegt. Doch derzeit ist das spielerische Potenzial der jungen Schotten übersichtlich.

Anders der Gegner: de Boer, Reiziger, Zenden, Davids, Kluivert, Makaay – alles Stars, die in europäischen Spitzenmannschaften spielen. Und auch wenn Clarence Seedorf nicht spielt, wurde Ruud van Nistelrooy nun doch nachberufen. Der Stürmer hatte sich mit Nationalcoach Dick Advocaat überworfen, der Streit ist inzwischen beigelegt, und Nistelrooys Formtief scheint mit seinen beiden Toren im letzten Champions-LeagueSpiel von Manchester United überwunden.

„Die Niederländer“, sagt Vogts, „haben die besseren Spieler. Mann für Mann sind sie besser besetzt.“ Vogts glaubt, dass die Schotten nur über eine geschlossene Mannschaftsleistung zum Sieg kommen können, mit 51 000 Zuschauern im Rücken die Niederländer schlicht niederkämpfen müssen. Einsatz und Leidenschaft und Kampf, Vogts ist hier in seinem Element: „Das ist das, was ich meinen Spielern vermittelt habe – die Bedeutung von Teamwork.“

Teamwork, so lautet seine Lehre vom Sieg über die Niederländer 1974. Womöglich hat er angesichts seines Spielerpotenzials auch keine andere Wahl. Der schottische Mythos ist jedoch ein anderer: Bei der WM 1978 in Argentinien schoss Archie Gemmill die Niederländer mit einem wunderschönen Tor aus dem Turnier, die Schotten siegten 3:2. Auch Gemmill hat sich gerade mit seinem Hollandwissen zu Wort gemeldet: „Das Ziel muss sein, rauszugehen und den Holländer vom ersten Moment an unter Druck zu setzen.“ An welcher Stelle, das hat Berti Vogts ja schon ein anderer Schotte verraten.

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