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Lächeln mit Gold. Isabelle Härle nach ihrem Triumph in Grünau.

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Update

Schwimm-EM in Berlin: Isabelle Härle holt Gold im Freiwasser - Silber für Thomas Lurz

Erster Titel bei den Europameisterschaften im Schwimmen in Berlin. Isabelle Härle gelingt im Langstreckenrennen über fünf Kilometer ein überraschender Sieg. Zuvor hatte schon Thomas Lurz bei den Männern Grund zum Jubeln.

Eigentlich war Isabelle Härle völlig einsam da draußen im Wasser. Fünf Kilometer hatte sie am Donnerstag auf der Regattastrecke in Grünau zu absolvieren, ohne Konkurrentinnen neben sich, nur mit der Uhr als Gegner. „Das Schwierigste ist, dass man mit seinen Gedanken eine Stunde allein ist und sich irgendwie beschäftigen muss“, sagte Härle über den Modus im Zeitrennen. „Ich habe mir aber immer vorgestellt, Thomas Lurz schwimmt vor mir und ich muss nur an seinen Füßen bleiben.“ Mit dem deutschen Freiwasser-Übervater im Kopf trieb sich die 26-Jährige zu einer glänzenden Zeit von 57:55,7 Minuten, die am Ende mit mehr als einer halben Minute Vorsprung den EM-Titel bedeutete. Zuvor hatte auch der zwölfmalige Weltmeister Lurz eine Medaille gewonnen, er wurde Zweiter über zehn Kilometer.

Nach nur zwei EM-Tagen haben die deutschen Freiwasserschwimmer mit vier Medaillen bereits die Hoffnungen erfüllt, die der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) bei seiner Heim-Europameisterschaft in sie gesetzt hatte. Laut Zielvereinbarung wollte der DSV drei bis vier Freiwasser-Medaillen mit in die Beckenwettbewerbe in der kommenden Woche nehmen. „Aufhören tun wir deswegen aber nicht“, sagte Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz. „Ich bin stolz, nehme aber jede weitere Medaille gerne mit – auch als Schwung für unsere Beckenschwimmer.“

Am Freitag werden keine Wettkämpfe in Grünau ausgetragen, am Samstag aber scheint die nächste deutsche Medaille schon wieder beinahe unausweichlich. Dann steht der Teamwettbewerb an, in dem die Formation Isabelle Härle, Thomas Lurz und Christian Reichert 2013 den Weltmeistertitel gewonnen hatte. Bundestrainer Stefan Lurz kündigte an, Reichert werde beim Rennen durch Rob Muffels ersetzt, der am Mittwoch Silber über fünf Kilometer gewonnen hatte. Für Isabelle Härle ist ohnehin am wichtigsten, dass Thomas Lurz mit ihr ins Wasser springt. „Ohne Thomas würde ich nicht schwimmen, der Vordermann ist mir egal“, sagte Härle. Auch die starke Konkurrenz durch die Niederländer – Sharon van Rouwendaal wurde hinter Härle gestern Zweite, Ferry Weertman gewann vor Lurz Gold über zehn Kilometer – kann sie nicht schrecken. „Wir sind schneller, definitiv“, sagte Härle. „Wir haben Thomas, da kann uns nichts passieren.“

Im Teamwettbewerb am Samstag könnte es die nächste deutsche Medaille geben

Wenige Stunden vor Härles Triumph hatte Rekordweltmeister Thomas Lurz wieder mal seinen Ruf als Härtester der Harten bewiesen. Beinahe als einziger Schwimmer hatte sich der 34-Jährige innerhalb von knapp 20 Stunden einen Doppelstart über fünf und zehn Kilometer zugemutet. Entsprechend schleppend begann der Würzburger am Donnerstag das Rennen. „Auf der ersten Runde habe ich mich ganz schlecht gefühlt, danach wurde es besser“, sagte Lurz über die erste 2,5-Kilometer-Schleife. Der Routinier versuchte, in der Mitte des Feldes Kraft zu sparen und schob sich nach drei Vierteln der Strecke langsam nach vorne. Mit dem Ziel in Sichtweite übernahm Lurz sogar die Führung, auf den nicht gerade vollbesetzten Tribünen an der Regattastrecke wurde es laut. „Ich hatte ein Hoch und dachte: Jetzt hab’ ich es im Griff“, sagte Lurz. „Aber das ist meistens der Fehler: Wenn man so etwas denkt, kommt gleich die Realität zurück.“

In diesem Fall war es der Niederländer Weertman, der sich ganz und gar real an dem Würzburger vorbeischob und mit einer Länge Vorsprung Europameister über die olympische Distanz wurde. Lurz versuchte noch, parallel zu Weertman zu schwimmen und „auf seiner Welle mitzusurfen“, musste den Niederländer dann aber doch ziehen lassen. „Ich habe gemerkt, dass ich absolut am Limit bin und hatte einen kleinen Schwächeanfall“, sagte Lurz, der sich angesichts der Doppelbelastung aber uneingeschränkt freuen konnte: „Diese Silbermedaille ist mehr wert als andere Silbermedaillen.“

Thomas Lurz bewies mal wieder, dass er der Härteste unter den Harten ist

Nach dem von ihm wenig geliebten Zeitrennen Lurz war beim Massenstart wieder voll in seinem Element. „Das ist Freiwasserschwimmen, da kann man seine Erfahrung ausspielen und sich positionieren. Das ist der große Unterschied zum Beckenschwimmen“, sagte Lurz. Die langjährige Beckenschwimmerin Härle freute sich hingegen, beim Zeitrennen keinen Ellbogen- und Beinschlägen ausweichen zu müssen: „Das sind eher Becken-Bedingungen als im Massenstart, das kommt mir natürlich entgegen.“ Am Samstag hat sie es noch besser: Im Teamwettbewerb machen in aller Regel die beiden Männer das Tempo, die Frau kann in ihrem Sog mitschwimmen.

Sollte die Sogwirkung auch noch in den kommenden EM-Tagen anhalten, könnte aus dem aus DSV-Sicht traumhaften Start in diese Europameisterschaft auch eine insgesamt sehr gelungene Veranstaltung werden. Chef-Bundestrainer Henning Lambertz, zurzeit wegen einer Knieverletzung auf Krücken unterwegs, humpelte in Grünau jedenfalls mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht umher. Und Freiwasser-Chefcoach Stefan Lurz rechnete bereits die mögliche Bilanz seines Bruders Thomas hoch. „Bis jetzt ist es der gleiche Ablauf wie bei der WM in Barcelona vor einem Jahr: Bronze über fünf Kilometer, Silber über zehn Kilometer“, sagte Stefan Lurz. „Wenn es wieder so weitergeht, kommen noch zwei Goldmedaillen. Das wäre natürlich der Hammer.“ (dpa)

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