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Auch wenn's schwer fällt. Paul Biedermann (l.) gratuliert Velimir Stjepanovic zum Sieg.

© dpa

Update

Schwimm-EM in Berlin: Paul Biedermann verpasst Sieg über 200 Meter Freistil knapp

Lange lag Paul Biedermann im Rennen über 200 Meter Freistil auf Goldkurs. Doch auf den letzten Metern zog der Serbe Velimir Stjepanovic noch am Deutschen vorbei. Auf die 100 Meter Freistil wird Biedermann nun verzichten - und sich stattdessen auf ein anderes Ziel konzentrieren.

Noch bei der Siegerehrung atmete Paul Biedermann schwer, sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich unter der blauen Trainingsjacke mit dem Bundesadler. Es schien den 28-Jährigen einige Mühe zu kosten, seinen Arm zu heben und ins Publikum zu winken. Wenige Minuten zuvor hatte Biedermann im Finale über 200 Meter Freistil alles gegeben – und kurz vor dem Ziel sah es tatsächlich so aus, als könne der Hallenser seinen Titel verteidigen und das erste Gold für die deutschen Beckenschwimmer bei ihrer Heim-EM holen. In seiner typischen Art hatte sich Biedermann auf der dritten Bahn nach vorn geschoben, bis wenige Meter vor dem Anschlag lag er in Führung. Im Zielsprint allerdings hatte der Serbe Velimir Stjepanovic die höhere Geschwindigkeit und das schnellere Händchen und schlug in 1:45,78 Minuten an – zwei winzige Hundertstelsekunden vor Biedermann, der damit seinen vierten EM-Titel in Serie verpasste. „Ich freue mich über Silber und über die Zeit, auch wenn das Publikum Gold verdient hätte“, sagte Biedermann. „Der Stjepanovic hat ein Weltklasserennen abgeliefert und ist die letzten Meter geflogen.“

Stjepanovic, 21 Jahre alt, einen Kopf kleiner als Biedermann und der drittplatzierte Olympiasieger Yannick Agnel, hatte am Montag bereits den EM-Titel über 400 Meter Freistil gewonnen. „Ich habe einfach versucht, auf der letzten Bahn an Paul dranzubleiben“, sagte der Serbe. „Ich wusste, dass er mich da angreifen würde.“ Stjepanovic war mit Wut ins Rennen gegangen, am Vormittag hatte er über 200 Meter Schmetterling hauchdünn das Halbfinale verpasst. „Die Strecke ist eigentlich meine Hauptdisziplin, ich habe den Ärger heute ausgenutzt“, sagte Stjepanovic. der in Abu Dhabi geboren wurde und in Dubai lebt und trainiert. Biedermann zeigte sich beeindruckt vom Serben, der international zuvor nur für wenig Aufsehen gesorgt hatte: „Er ist ein Mann für die Zukunft.“

Über 400 Meter war Paul Biedermann noch im Vorlauf gescheitert

Biedermann selbst bewies am Mittwochabend im Velodrom, dass er noch kein Mann der Vergangenheit ist. Nach einer langen Pause im Vorjahr, einer Erkrankung in der EM-Vorbereitung und dem Vorlauf-Aus über 400 Meter Freistil brachte er eine Weltklassezeit ins Ziel. „Man soll immer einmal mehr aufstehen, als man hinfällt. In letzter Zeit stolpere ich oft, aber ich fange mich auch wieder“, sagte Biedermann. „Ich hab mein Bestes gegeben, das war die beste Leistung, die ich drauf hatte.“ Auf die 100 Meter Freistil wird er indes verzichten. Stattdessen werde sich Biedermann über die 200 Meter ganz auf die Staffeln konzentrieren, teilte der Deutsche Schwimm-Verband am Donnerstagmorgen mit. „Die Regenerationsprozesse nach dem Rennen über 200 Meter Freistil sind langsamer verlaufen als gehofft und erhofft. Paul war stehend K.o. Das Team hat für ihn Vorrang“, erklärte Chef-Bundestrainer Henning Lambertz.

Neben dem Mann aus Halle an der Saale hat der deutsche Schwimmsport kaum noch Idole. Allerdings kam kurz nach Biedermanns Siegerehrung ein potenzieller Kandidat für diese Rolle dazu. Philip Heintz aus Heidelberg gewann über 200 Meter Lagen ebenfalls die Silbermedaille, das Rennen des 23-Jährigen war kaum weniger spannend als das Duell zwischen Biedermann und Stjepanovic. Kopf an Kopf schossen gleich vier Schwimmer dem Ziel entgegen, am Ende gewann die ungarische Schwimm-Ikone Laszlo Cseh wieder einmal Gold. Bronze ging an den Briten Roberto Pavoni, dem Hamburger Markus Deibler blieb nur Platz vier – mit nicht einmal zwei Zehnteln Rückstand auf Cseh.

Philip Heintz holt über 200 Meter Lagen ebenfalls Silber

„Das Rennen hat mir unglaublich viel Spaß gemacht. Von mir aus hätten am Ende alle acht gleichauf sein können“, sagte Heintz. „Nach 150 Meter hab ich gesehen, dass der Brite noch dran war und hab gedacht: Oh, jetzt sind wir schon zu viert.“ Eigentlich schien Deibler im Schlussspurt die besten Chancen zu haben, fiel dann aber doch noch zurück. Heintz hingegen konnte noch einmal alle Kraftreserven mobilisieren. Er habe daran gedacht, wie viel er für genau diese Momente trainiert und sich gequält habe, erzählte er hinterher: „Die letzten zehn Meter hab ich mich nur noch auf den Anschlag konzentriert: Kopf runter, keine Atmung mehr, dann hat’s für den zweiten Platz gereicht.“

Im Gegensatz zu Biedermann, dem man die Enttäuschung über das verpasste Gold doch recht deutlich anmerken konnte, war Philip Heintz überglücklich über seinen zweiten Platz. „Im Endeffekt ist das vielleicht sogar besser für mich als ein Sieg“, sagte er. „Eine Silbermedaille ist immer ein Ansporn. Ich bin noch nicht Erster geworden, da muss ich noch was draufpacken.“ Chef-Bundestrainer Henning Lambertz wird diese Worte mit großem Wohlwollen vernommen haben.

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