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Abgetaucht. Im Vorlauf über 400 Meter Freistil freut sich Biedermann schon über Platz drei, doch rutscht er dann noch auf Rang neun.

© AFP

Schwimm-EM: Paul Biedermann und die 400 Meter Fehleinschätzung

Der deutsche Spitzenschwimmer Paul Biedermann scheitert schon im Vorlauf über 400 Meter. Dabei sollte sich die junge deutsche Mannschaft am Weltrekordler orientieren.

Als ihn der Schock ereilte, hatte Paul Biedermann eigentlich schon ein positives persönliches Fazit des Morgens gezogen. Der 28-Jährige hatte seinen stark besetzten Vorlauf über 400 Meter Freistil als Dritter abgeschlossen und dabei den französischen Star Yannick Agnel hinter sich gelassen. Biedermann plauderte entspannt über das langsame Tempo des Laufs, das ihm angesichts seiner Erkrankung in der Vorbereitung doch sehr entgegengekommen sei. Dann allerdings erreichte den Hallenser das Ergebnis des sechsten und letzten Vorlaufs, in dem sechs Schwimmer Biedermanns Zeit von 3:50,42 Minuten noch unterboten hatten. Damit verpasste Deutschlands prominentester Schwimmer als Neunter das Finale, der Auftakt der deutschen Beckenschwimmer bei ihrer Heim-EM war verpatzt. Biedermann drehte sich wortlos um und verschwand in den Katakomben des Velodroms.

Paul Biedermann war der erste Athlet aus dem 28-köpfigen Team des Deutschen Schwimm-Verbands gewesen, der am Montagmorgen ins Becken gesprungen war. Am Weltrekordler und der restlichen Handvoll etablierter Schwimmer soll sich die junge deutsche Mannschaft orientieren. Wie schon bei den Olympischen Spielen 2012 konnte Biedermann zum Auftakt allerdings kein positives Zeichen setzen. Auch in London war er über die 400-Meter-Strecke, auf der er seit 2009 den Weltrekord hält, im Vorlauf gescheitert. Persönlich wollte sich Biedermann anschließend nicht mehr äußern. Ein DSV-Sprecher verlas lediglich ein knappes Statement. „Ich bin selber Schuld. Ich habe das Rennen falsch eingeschätzt“, hieß es in der Mitteilung. „Ich konzentriere mich jetzt auf mein Rennen über 200 Meter Freistil morgen.“ Biedermann teilte noch mit, er werde nun Clemens Rapp im Finale die Daumen drücken. Der 25-Jährige wurde im Endlauf am Abend Fünfter, Europameister wurde der Serbe Velimir Stjepanovic.

"Platz neun von Paul ist jetzt auch keine absolute Katastrophe"

Chef-Bundestrainer Henning Lambertz wollte Biedermanns Ausscheiden nicht als schlechtes Omen werten. „Ich bin erst einmal absolut zufrieden“, sagte Lambertz, der sich schon in den vergangenen Tagen sichtlich um Optimismus bemüht hatte. „Platz neun von Paul ist jetzt auch keine absolute Katastrophe. Das ist ein bisschen ärgerlich, aber ich würde das jetzt abhaken.“ Das Gesamtteam habe sich am ersten Wettkampftag gut verkauft, es sei ein guter Anfang für eine gute Europameisterschaft gewesen. Hoffnung machte Lambertz beispielsweise, dass Christian Diener und Jan-Philip Glania über 100 Meter Rücken ebenso ins Finale einzogen wie Lisa Graf und Jenny Mensing über die doppelte Distanz. Mit der neuntschnellsten Zeit der Vorläufe wäre auch Sonnele Öztürk zumindest ins Halbfinale gekommen, allerdings dürfen dort nur je zwei Schwimmer einer Nation starten, die 16-jährige Berlinerin schied somit aus.

Biedermann hatte wegen seiner eingeschränkten Vorbereitung bis zum Sonntag offen gelassen, ob er über 400 Meter überhaupt an den Start gehen würde. Sein Trainer Frank Embacher sprach am Montag erneut von „fehlenden Wettkampfkilometern und fehlender Sicherheit“ seines Athleten, dadurch habe Biedermann seine Geschwindigkeit nicht richtig einschätzen können. „Das Positive daran ist, dass alle Parameter zeigen: Da geht noch was“, sagte Embacher.

Welchen Einfluss hat Paul Biedermanns Leistung auf den Rest der Mannschaft?

Am heutigen Dienstag stehen für Paul Biedermann Vorlauf und Halbfinale über 200 Meter Freistil an, im Finale am Mittwochabend soll es dann zum großen Duell mit Yannick Agnel kommen. „Über diese Strecke fühlt er sich selber am besten, insofern würde ich da seine größte Medaillenchance sehen“, sagte Lambertz. „Paul soll den Kopf jetzt auf null machen und morgen voll in die 200 Meter reingehen.“ Ob Biedermann ab Donnerstag dann auch über 100 Meter Freistil an den Start geht, soll erst kurzfristig entschieden werden.

Die Frage ist, welchen Einfluss Paul Biedermanns fehlende Souveränität auf die Stabilität beim Rest der Mannschaft hat. In den Halbfinals am Montagabend war von Verunsicherung erst einmal nichts zu spüren. „Wir sind ein Team und nicht eine Person, die über Glück oder Pech oder Sieg oder Niederlage entscheidet“, sagte Chef-Bundestrainer Henning Lambertz. „Und das Team ist gut im Rollen.“ Auch Steffen Deibler, der über 50 Meter Schmetterling souverän ins Finale einzog, wollte dem Ausscheiden des deutschen Stars keinerlei Bedeutung beimessen. Eine Nachfrage würgte der Hamburger schmallippig ab: „Das hab ich doch schon beantwortet, oder?“

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