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anna lurz

© dpa

Schwimmen: Im Schatten des Mythos

Annika Lurz beherrscht die symbolträchtigen 200 Meter Freistil – wirtschaftlich nützt ihr das wenig.

Berlin - Direkt vor der Kamera hielt sie noch durch. Da stand sie in einer schwarzen Trainingsjacke und einem weinroten Handtuch, das sie um die Hüften gewickelt hatte und das fast bis zu den Knöcheln hing, die Füße in einen schwarzen Schwimmanzug gezwängt. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, sagte Annika Lurz gefasst, „der Druck war enorm.“ Sie darf nach Peking, sie hatte gerade bei den deutschen Schwimm- Meisterschaften in Berlin die 200 Meter Freistil gewonnen, in 1:57,83 Minuten. Die Olympianorm lag bei 1:58,71 Minuten. Aber ein paar Minuten später, als sie in einer Ecke mit ihrem Trainer und Ehemann Stefan stand, da heulte sie hemmungslos. Da erst löste sich dieser Druck endgültig. Annika Lurz, die Siegerin, das ist das aktuelle Bild. Annika Lurz, die Verzweifelte, die ans Karriereende dachte, die durch eine Rückenverletzung gequält wurde, das war das Bild vor ein paar Monaten. Sie arbeitete sich wieder heran, trotz eingeschränkten Trainings, mit enormer Willenskraft. Über 400 Meter Freistil hatte sie die Norm noch knapp verpasst. Das war ärgerlich, aber zu den 400 Metern, sagt sie, „habe ich auch keine emotionale Beziehung“.

Die 200 Meter Freistil sind ihre Strecke. Hier ist sie Vize-Welt- und -Europameisterin, hier liegt ihre Bestzeit bei 1:55,68 Minuten. Es ist die Strecke, die Franziska van Almsick populär gemacht hat. Die frühere Weltmeisterin feierte hier ihre größten Erfolge, sie stellte auf dieser Distanz zwei Weltrekorde auf. Die 200 Meter Freistil besitzen einen Symbolcharakter. „In Deutschland ist man schon auf diese Strecke fokussiert“, sagt Lurz.

Und sie ist die Nachfolgerin von van Almsick, ihre Bestzeit liegt fast eine Sekunde unter dem alten Weltrekord des früheren Schwimmstars, Lurz fehlen zum Weltrekord von Laure Manaudou (Frankreich) nur 16 Hundertstelsekunden. „Manchmal“, sagt die 28-Jährige, „wundern sich die Leute, wenn ich sage, dass ich schneller bin als van Almsick.“

Annika Lurz hatte sich auch mal gewundert, aber das ist jetzt vorbei. Jetzt sagt sie: „Ich finde es nur traurig.“ Annika Lurz, die Weltklasseschwimmerin aus Würzburg, profitiert nicht wirklich von ihrer Leistung, vom Symbolcharakter ihrer Strecke, vom Mythos, den van Almsick aufgebaut hatte. Britta Steffen, die Ex-Weltrekordlerin über 100 Meter, die mit Lurz in die Weltspitze vorstieß, ist versorgt mit lukrativen Werbeverträgen. Lurz hat ein paar regionale Sponsoren, mehr nicht. Ein Würzburger Autohaus stellt einen Kleinwagen, immerhin.

Es geht natürlich nicht um Neid auf Steffen, das ist überhaupt kein Thema, es geht um die Frage, wie eine wie Annika Lurz gewürdigt wird. „Wir haben schon gedacht, dass die eine oder andere Anfrage kommt“, sagt Stefan Lurz. Er ist den regionalen Sponsoren natürlich dankbar, aber er hätte auch mit dem Interesse eines großen Geldgebers gerechnet. Aber bis jetzt kommt nichts.

Arena rüstet die Vize-Weltmeisterin mit Textilien aus, aber darüber hinaus zahlt die Firma nichts. „Arena Deutschland sind die Hände gebunden“, sagt Stefan Lurz. Denn bei internationalen Großereignissen tritt Annika Lurz mit dem Logo des Verbandsausrüsters Adidas auf. Der Werbewert für Arena international ist damit fast null. Aber Lurz ist seinem Ausrüster gleichwohl „natürlich dankbar“. Den Vertrag mit Arena haben sie 2005 unterschrieben. „Da wusste ja keiner, dass sie so gut würde.“ Das Ehepaar Lurz hatte mal einen Bekannten für die Sponsorensuche eingeschaltet. „Aber da ist nicht viel gekommen.“

Im Moment allerdings ist die Sponsorenfrage für Annika Lurz derzeit eher zweitrangig. Sie ist in Peking, das zählt. Und Stefan Lurz kann jetzt weiter planen. Er war auf das Schlimmste vorbereitet, auf eine verpasste Olympiaqualifikation. „Der aktuelle, detaillierte Trainingsplan von Annika“, sagt er, „endet am Mittwoch.“ Da ist der letzte Tag der Meisterschaft.

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