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Sport: Schwindelfrei in großer Höhe

Löw geht gelassen ins Spiel gegen Frankreich.

Perfekte Annahme mit der Brust, scharfe Weiterleitung mit dem Außenrist und ein präziser Abschluss mit dem Vollspann. Das Zusammenspiel der Bender-Zwillinge Lars und Sven funktioniert blendend, das Spielgerät tut, was es tun soll. Selbst Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, lobt die Darbietung als „sehr schön und kreativ“. Solche Ausdrücke fallen im Zusammenhang mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft immer häufiger, selbst wenn es, wie in diesem Fall, nur um ein Imagefilmchen zum „DFB-Umweltcup 2012“ geht. Sogar beim Kicken mit einer zerknüllten Getränkedose machen die Nationalspieler eine gute Figur. Doch was so beschwingt aussieht, „war gar nicht so leicht“, berichtet Lars Bender.

Leichtigkeit ist, gerade im Fußball, oft das Resultat harter Arbeit, und niemand belegt das besser als die Nationalmannschaft. Das Team von Bundestrainer Joachim Löw gilt inzwischen als führend in Europa, alles andere als der EM-Titel in diesem Sommer wäre eine Enttäuschung; doch der Weg zurück an die Spitze war keineswegs ein Selbstgänger. Er hat auch nicht erst 2004 begonnen, als die Mannschaft Jürgen Klinsmann und Joachim Löw anvertraut wurde. Die Anfänge reichen bis ins Jahr 2000 zurück, als der Deutsche Fußball-Bund seine Nachwuchsausbildung von Grund auf reformierte und sich das französische Modell zum Vorbild nahm. „Wir haben damals neidvoll auf Frankreich geschaut“, sagt Bierhoff.

Inzwischen schauen die Franzosen neidvoll auf die Deutschen, und wenn beide Mannschaften am Mittwoch (20.45 Uhr, live im ZDF) in Bremen aufeinander treffen, ist Löws Team zum ersten Mal seit langem der Favorit. In der jüngeren Vergangenheit war das anders. Fast 25 Jahre liegt der letzte Sieg der Deutschen zurück, in den vergangenen vier Duellen haben sie kein einziges Tor gegen Frankreich erzielt. Ob seine Mannschaft dieser Serie am Mittwoch ein Ende bereitet, ist Löw ziemlich egal. „Das Spiel hat nicht die allerhöchste Stufe der Wichtigkeit“, sagt er. „Wir müssen uns nicht am Tagesgeschäft, an einem einzigen Ergebnis, messen.“

Der Bundestrainer denkt in größeren Zusammenhängen, und schon daran lässt sich die positive Entwicklung des Nationalteams ablesen. Der Test gegen Frankreich ist das letzte Spiel, bevor Löw seinen EM-Kader benennt; sein Ausgang könnte den Ton für die kommenden Wochen vorgeben. Aber selbst diese Konstellation führt bei Löw nicht zu erhöhter Anspannung. Ein Test ist ein Test ist ein Test, und selbst eine Niederlage „wird uns nicht das Selbstvertrauen rauben und dazu führen, dass wir alles in Frage stellen“, sagt der Bundestrainer.

Er hat genau dieses Szenario schon erlebt: vor fast auf den Tag genau sechs Jahren, als die Deutschen in Florenz ein historisches Debakel erlebten. 1:4 verloren sie am 1. März 2006 gegen Italien, doch schlimmer als die Niederlage an sich war ihre Entstehung: das naive Abwehrverhalten der Mannschaft und deren kollektive Überforderung auf höchstem Niveau. Drei Monate vor der WM im eigenen Land stand das komplette Reformprojekt von Jürgen Klinsmann vor dem Scheitern. Löw erinnert sich noch gut an den „unglaublichen Wirbel“, den die Niederlage ausgelöst hat. Er gipfelte darin, dass ein paar Hinterbänkler Klinsmann vor den Sportausschuss des Bundestages zitieren wollten. Doch auch in diesem Fall gab es einen großen Unterschied zwischen Innen- und Außenansicht. Joachim Löw fand das Spiel gegen Italien sogar ganz positiv – weil es ihm gezeigt hat, „wo unsere Schwächen lagen und wo wir in der Vorbereitung den Hebel ansetzen mussten“.

Die Erfahrung, dass man unmittelbar vor einem Turnier mit gezielter Arbeit noch große Fortschritte erzielen kann, hat Löw deutlich gelassener gemacht, genauso wie die Entwicklung seiner Mannschaft. „Wir haben eine gefestigte Basis, sind eingespielt, die Philosophie passt“, sagt er. Anders noch als zu Beginn seiner Amtszeit sind die Deutschen auch gegen große Fußballnationen längst wieder konkurrenzfähig. Beim 3:0 gegen Holland im November war die Mannschaft so gut, dass der Bundestrainer schon von der „Last der guten Tat“ spricht. „Die Fallhöhe ist sicher etwas höher“, sagt Löw. „Aber die Mannschaft ist relativ schwindelfrei.“

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