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Sport: Sebastian Deisler: Der Lenker vom Kreidestrich

Es war vor fünf Wochen im Wembleystadion zu London. Ein in weißes Trikot und schwarze Hose gekleideter Bursche flitzte die rechte Außenlinie hinunter, mal gefühlvoll flankend, mal leidenschaftlich grätschend.

Es war vor fünf Wochen im Wembleystadion zu London. Ein in weißes Trikot und schwarze Hose gekleideter Bursche flitzte die rechte Außenlinie hinunter, mal gefühlvoll flankend, mal leidenschaftlich grätschend. Dieser Kreidestrich gehörte ihm, Sebastian Deisler, und die Kommentatoren überschlugen sich mit ihren Hymnen auf diese bemerkenswerte Symbiose zwischen Spielkunst und Kampfeslust.

Spätestens seit diesem 1:0-Sieg in der WM-Qualifikation ist Deisler nicht mehr wegzudenken von der Position, für die das in Fußballerkreisen gepflegte Idiom die Bezeichnung Außenbahn kreiert hat. Das freut den Berliner - und ärgert ihn. Schön, dass er mit 20 Jahren Stammspieler in der Nationalmannschaft ist. Aber muss es denn unbedingt diese Außenbahn sein, und dann auch noch im Verein, bei Hertha BSC?

Deisler sieht sich selbst lieber im zentralen Mittelfeld, als einen, der das Spiel ordnet, bei Bedarf schnell macht, aber auch mal das Tempo herausnimmt, wenn die Kollegen eine Pause brauchen. Die grundsätzlichen Fähigkeiten dafür hat er. Deislers Schusstechnik ist nahezu perfekt, seine Ballbehandlung ebenso, Spielübersicht und Intelligenz sind überdurchschnittlich ausgeprägt. Doch Herthas Trainer Jürgen Röber schickt ihn immer wieder an die Außenlinie, und er hat gute Gründe dafür. "In die zentrale Rolle muss der Sebastian erst reinwachsen", sagt Röber. "Auch Paul Breitner hat jahrelang linker Verteidiger gespielt, bis er dann seinen Platz im zentralen Mittelfeld gefunden hat. Außerdem haben wir mit Sebastian die rechte Seite sehr gut besetzt. Da müssen wir nichts ändern."

Zumal die vereinsinterne Konkurenz gewichtig ist. Stefan Beinlich ist als Spielgestalter gesetzt, Seite an Seite mit Dariusz Wosz. Nur wenn beide gemeinsam ausfallen, darf Deisler in die Mitte rücken. Wie am Dienstag beim 1:1 in der zweiten Runde des Uefa-Cups bei Amica Wronki. Eine Halbzeit lang versuchte sich Deisler mit bescheidenem Erfolg als Spielgestalter, dann brach Röber das Experiment ab. Der Erfolg gab ihm Recht: Auf der rechten Seite spielte Deisler in der zweiten Halbzeit groß auf.

Am Freitag, beim Bundesligaspiel in Dortmund, wird wieder Stefan Beinlich die Fäden im Berliner Mittelfeld knüpfen. Auch wenn dessen Adjutant Dariusz Wosz wegen Rückenproblemen ausfallen wird - Deisler wird wieder an die Außenlinie abkommandiert werden. Der unterdrückt mühsam seine Ambitionen für den anspruchsvolleren Job in der Zentrale. Ja, diese erste Halbzeit in Wronki sei sicher keine allzu gute Bewerbung gewesen, "aber das war mein erstes Spiel nach meinen Knieproblemen, da war ich noch nicht so spritzig, das wird noch kommen". Stellt sich dann erneut die Frage nach Deislers Bestimmung? Nein, sagt Jürgen Röber. "Dieses Thema ist erledigt. Sebastian spielt da, wo er für uns am wertvollsten ist: auf der rechten Außenbahn."

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