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Sport: Sechs Sekunden für die Ewigkeit

Nach einem kuriosen 1:2 gegen Bremen stürzt Dortmund auf Platz drei

Dortmund. Eine, zwei … sechs Sekunden bahnte sich die Blamage ihren Weg durch die kühlen Luftschichten des Westfalenstadions. Es schien beinahe so, als würde es dem Ball Spaß bereiten, in unerreichbaren Höhen an Fans, Spielern und Trainern vorbeizusegeln und langsam, ganz langsam das Debakel in Dortmund einzuleiten. Also sich hinter Torhüter Roman Weidenfeller zum 2:1-Siegtreffer für Bremen ins Netz zu legen. Knapp hinter der Mittellinie hatte Bremens Fabian Ernst den Ball vier Minuten vor Schluss angehoben und Dortmunds Ersatztorhüter düpiert. Als „Glück“ betitelte Ernst später seinen Treffer gegen einen schwachen Deutschen Meister. Sammer nannte es „die Quittung“ für eine pomadige Leistung.

Schlecht hatten beide Teams in diese Bundesligapartie gefunden. Leblos wie ein Vampir unter Tage war das Spiel in der ersten Halbzeit. Selbst Schiedsrichter Lutz Wagner wurde zu einer Art Verkehrspolizist degradiert. Er musste nur noch anzeigen, welche Mannschaft den Ball nach erneutem Fehlpass von der Seite einzuwerfen hatte. Nichts war von der Brisanz im Vorfeld der Partie zu spüren. Für den Zweiten Dortmund ging es immerhin um mindestens 25 Millionen Euro, also die Teilnahme an der Champions League. Das ließ sich zunächst ganz gut an, als nämlich Jan Koller sich nach einer halben Stunde im Bremer Strafraum gegen zwei Gegner durchsetzte und auf Marcio Amoroso passte. Der Brasilianer schlenzte den Ball zum 1:0 in die Ecke. Dass der Treffer aus einer Abseitssituation resultierte, interessierte später nur noch die Statistiker.

Unmittelbar nach dem Treffer schien sich plötzlich die Welt für die Dortmunder Fans zu drehen. Denn schon neun Minuten später blinkte auf der Anzeigetafel der 0:1-Rückstand der Bayern in Hannover auf. Das Ende der Dortmunder Schmach, das sich auf 15 Zähler Differenz bezifferte, schien erreicht. Plötzlich waren es eben „nur“ noch zwölf. War da noch was in der Meisterschaft möglich? Die Fans beantworteten diese Frage in sechs Wörtern Schlachtgesang: „Deutscher Meister wird nur der BVB.“

Bremen gab auch eine Antwort, keine zehn Minuten nach Wiederanpfiff. Und sie war ganz anders. Nachdem Christian Wörns den Ball kläglich verstolpert hatte, wurde der Dortmunder Verteidiger von Ailton überrannt. Der Brasilianer legte quer auf den Griechen Angelos Charisteas, der zum 1:1 einschob. „Vor dem Ausgleich hätten wir den Sack schon zumachen müssen“, sagte Sammer später. „Aber wir sind zu wenig gelaufen und haben zu wenig investiert.“ Nicht anders sahen das die Fans, die bereits vor dem Siegtreffer der Bremer ihre Fangesänge auf „Scheiß Millionäre“ umgestimmt hatten. Was Sebastian Kehl weniger witzig fand: „Ich lasse doch nicht auf mich drauf hauen“, schimpfte der Dortmunder Nationalspieler. Auch wenn er und seine Kollegen jetzt nur noch Dritter sind.

Christoph Bertling

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