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Sport: Sehnsucht nach Europa

Leverkusen spielt heute gegen Bayern – und träumt von der Champions League

Vor sechs Jahren war Gerhard Schröder noch Bundeskanzler und Google-Street- View nur eine Vision von besonders weitsichtigen Computerfreaks. Sechs Jahre sind eine lange Zeit – im Fußball sind sie eine Ewigkeit. Vor sechs Jahren hat Bayer Leverkusen letztmalig den FC Bayern München bezwungen. „Statistiken interessieren mich nicht“, sagt Leverkusens Trainer Jupp Heynckes vor dem nächsten Duell an diesem Samstag. „Was vor meiner Zeit war, kann ich nicht beurteilen. In der vorigen Saison waren wir spielerisch auf Augenhöhe mit den Bayern.“

Beide Male hieß es 1:1, doch seitdem hat sich Bayers Team nach allgemeinem Dafürhalten eher verbessert. „Wir haben uns in dieser Saison als Mannschaft weiterentwickelt“, sagt Heynckes. „Wir haben eine größere Balance zwischen Defensive und Angriff, wir beweisen Moral und kämpfen immer bis zur letzten Minute.“ Zuletzt haben die Leverkusener in der Bundesliga drei Mal hintereinander gewonnen, die Mannschaft ist vor einer Woche auf den zweiten Tabellenplatz vorgerückt. Doch im ganzen Hype um die bisherigen Spitzenreiter Mainz und jetzt Dortmund ist die erfreuliche Bilanz des Bayer- Teams fast ein wenig untergegangen. „Bislang hat man von uns noch gar nicht so recht Notiz genommen“, sagt Heynckes. Beleidigt ist er deswegen nicht, im Gegenteil. Er lächelt. „Das ist auch gut so.“

Die fehlende Wertschätzung passt den Leverkusenern ganz gut in den Plan, schon in näherer Zukunft aber drängt der Verein wieder stärker ins Rampenlicht. Bei Bayer besteht nach wie vor eine Sehnsucht nach großem Fußball, und damit ist nicht die Europa League gemeint, für die sich der Verein nach zwei Jahren internationaler Abstinenz erstmals wieder qualifiziert hat. Das verwöhnte Leverkusener Publikum verlangt mehr. Bayers Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser hat es als unverständlich und bedauerlich bezeichnet, dass die Bayarena bei den jüngsten Europapokal-Heimspielen nur etwas mehr als zur Hälfte gefüllt war, allerdings versteht er auch die Ansprüche der Anhängerschaft: Wer einmal in der Champions League dabei gewesen sei, „will dahin auch wieder zurück“, sagt er. Das trifft sich gut, denn was die Fans wollen, will auch der Verein.

Bayers Geschäftsführer mit der Hoheit über die Finanzen hat die Qualifikation für den lukrativeren der beiden Europacupwettbewerbe sogar als zwingend notwendig bezeichnet – und zwar in dieser Saison. Bei einem Presseabend kündigte Holzhäuser in der vorigen Woche an: Sollte Bayer die Champions League nicht erreichen, also in der Bundesliga nicht mindestens Dritter werden, wäre eine Zäsur unumgänglich. De facto bedeutet das: Bayer könnte sich den teuren Kader, den der Klub sich in den vergangenen drei Jahren zusammengestellt hat und der mit dem Neu-Nationalspieler André Schürrle noch ein bisschen teurer wird, nicht mehr leisten. „Ich weiß, dass Jupp Heynckes das nicht gerne hört“, sagt Bayers Geschäftsführer, „aber damit muss er leben.“

Immerhin: Holzhäuser kennt seinen Trainer ziemlich gut. Nur einen Tag dauerte es, ehe Heynckes seinen Missmut zu Protokoll gab. Offenbar war er über den neuen Anflug von Ehrgeiz bei seinem Arbeitgeber nicht vorab informiert worden. „Ich halte überhaupt nichts davon, konkrete Ziele zu benennen“, sagt Heynckes.

Die Angelegenheit ist auch deshalb interessant, weil sein Vertrag am Saisonende ausläuft. Offiziell heißt es, Heynckes müsse nur sein Interesse an einer Weiterbeschäftigung zu erkennen geben, dann werde man sich schon einigen. Allerdings sagt Holzhäuser auch, dass Bayer einen Trainer brauche, „der auf die jeweilige Situation der Mannschaft ausgerichtet ist“. Man kann das auch so verstehen: Für die Champions League wäre Jupp Heynckes mit seiner Erfahrung sicher der Richtige. Ob er sich aber mit dann 66 Jahren noch einmal den Neuaufbau einer Mannschaft antun will, ist eine ganz andere Frage.

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