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Sport: Sehnsucht nach mehr Kunst

Deutschland hat seit drei Jahren gegen keine große Fußballnation mehr gewonnen – gegen Europameister Frankreich soll das wieder anders werden

Essen. Die deutsche Nationalmannschaft hat in diesen Tagen ein unerwartetes Rendezvous mit der Kunst. Allerdings kann man nicht sagen, dass die Fußballer davon übermäßig berührt würden. Wenn die Spieler ins Folkwang-Museum in Essen kommen, laufen sie kurz durchs Foyer, vorbei am Museumsshop, gleich hinein in Saal 2, in dem der DFB seine Pressekonferenzen abhält. Rudi Völler, der Teamchef, hat eine Führung durch die Ausstellung „Flug in die Vergangenheit“ über sich ergehen lassen. Im Katalog zu dieser Ausstellung heißt es, die gezeigten Fotografien faszinierten „durch ihre technische Perfektion und ästhetische Qualität“, sie seien „von unbeschreiblicher Schönheit“.

Technische Perfektion, ästhetische Qualität und im besten Falle sogar unbeschreibliche Schönheit wird die Nationalmannschaft auch am Samstagabend erleben. In der Schalker Arena (20.30 Uhr, live in der ARD) spielt sie dann gegen Frankreich, den Europameister, eine Mannschaft von Fußballkünstlern, allen voran Zinedine Zidane. Schon seinetwegen ist das Spiel mehr als nur ein Freundschaftsspiel. „Es ist sehr, sehr wichtig für uns“, sagt Jens Jeremies. Weil es in dieser Begegnung auch um die immer noch nicht hinreichend geklärte Frage geht, wie stark die deutsche Nationalmannschaft ist. „Sind wir eine gute Mannschaft?“, fragt Jeremies. „Oder sind wir eine schlechte Mannschaft?“

Bei den Franzosen bestehen in dieser Hinsicht überhaupt keine Zweifel. Sie haben nach dem Debakel bei der Weltmeisterschaft 2002 wieder eine gute Mannschaft, haben alle acht EM-Qualifikationsspiele gewonnen und sind für Völler auch „der große Favorit“ bei der Europameisterschaft 2004. Obwohl Frankreich bei der WM 2002 bereits in der Vorrunde ausgeschieden ist, während sich die Deutschen bis ins Finale geschlichen haben, „müssen wir versuchen, an dieses Niveau heranzukommen“. Zuletzt ist das der Nationalmannschaft nur bedingt gelungen.

Seit mehr als drei Jahren haben die Deutschen kein Spiel mehr gegen eine der großen Fußballnationen gewonnen. Den letzten Sieg schafften sie im Oktober 2000, beim 1:0 in England. Seitdem hat die Nationalmannschaft gegen Frankreich, England, Argentinien, Brasilien, Holland, Spanien und Italien gespielt – und alle diese sieben Spiele verloren. Rudi Völler sagt, dass Siege in Freundschaftsspielen nur was für die Statistik seien; viel wichtiger sei es zu sehen, „dass wir spielerisch mit den Großen mithalten können“. Gegen Holland vor einem Jahr (1:3) und auch gegen Italien im August (0:1) „sind wir immer nur ein bisschen an unserer Chancenverwertung gescheitert“.

Die Fortschritte waren zuletzt zu erkennen. Als die Nationalmannschaft vor zweieinhalb Jahren 0:1 gegen Frankreich verlor, „haben wir uns viel zu weit zurückgezogen, nur reagiert und im ganzen Spiel keine Torchance gehabt“, sagt Jeremies. Gegen die Holländer vor einem Jahr bestimmten die Deutschen schon das Geschehen. Herthas Nationalstürmer Fredi Bobic will sich „nicht von der Vergangenheit einreden lassen, dass man gegen solche Mannschaften keine Chance hat“. Im Gegenteil. „Wir müssen auch mal ein Spiel gegen einen Großen gewinnen, um Selbstvertrauen zu sammeln.“ Für ihn ist der Erfolg bei einem solchen Turnier „nicht nur eine Frage des fußballerischen Vermögens, sondern auch der mentalen Stärke“. Anders gesagt: Die Deutschen freuen sich schon.

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