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Sport: Sein schwerster Lauf

Sprint-Weltrekordler Tim Montgomery droht eine lebenslange Sperre – auch ohne positiven Dopingtest

Zuversichtlich sah Tim Montgomery wahrlich nicht aus, als er an der Seite seiner Verteidiger in das Bürogebäude in Downtown San Francisco ging. Vielleicht hing ihm noch die Schlappe vom Wochenende nach, als er bei einem Einladungsrennen in Eugene, im Bundesstaat Oregon, über 100 Meter in 10,10 Sekunden gerade einmal Siebter geworden war. Ganz sicher jedoch graute ihm vor der Anhörung des Internationalen Sportgerichtshofes CAS, der darüber entscheiden muss, ob der einst schnellste Mann der Welt lebenslang gesperrt wird. Für die Reporter, die sich nach seinem Befinden erkundigten, hatte er nur wenige Worte übrig: Nein, besonders optimistisch sei er nicht. Vielen Dank. Immerhin brachte er ein schüchternes Lächeln zustande.

Mehrere Tage soll nun die Anhörung hinter verschlossenen Türen dauern, ein Urteil wird Ende des Monats erwartet. Es steht nicht gut um Montgomery, den die amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA beschuldigt, jahrelang verbotene anabole Steroide und Wachstumshormone geschluckt zu haben. Ähnliches wirft sie auch Montgomerys Lebensgefährtin Marion Jones vor. In beiden Fällen gibt es keine positiven Dopingproben als Beweis, sondern nur die Unterlagen, die bei der Aufdeckung des Balco-Skandals sichergestellt wurden. Die USADA hat Kalender, Bücher und Listen vorgelegt, die positive Blut- und Urintests von Montgomery beweisen sollen. Diese Dokumente hatte Balco angelegt.

Balco, eine Chemiefirma vor den Toren San Franciscos, war im Herbst 2003 aufgeflogen als Entwickler, Produzent und Vertreiber des künstlichen Steroids THG. Die Schockwelle, die damals durch die amerikanische Sportwelt ging, ist bis heute nicht abgeebbt. Dank der Unterlagen und Formeln, die bei Balco gefunden wurden, sind dreizehn Leichtathleten in den USA und Großbritannien entweder gesperrt oder verwarnt worden. Zuletzt beugte sich Sprinterin Michelle Collins einer Vier-Jahres-Sperre. Auch sie wurde nie positiv getestet. Doch der Skandal zieht längst über die Leichtathletik hinaus seine Kreise. Die vier Profisportligen NHL, NBA, NFL und MLB mussten sich in Washington peinlichen Verhören darüber unterziehen, wie sie denn künftig ihre laxen Kontrollen verschärfen wollen. Die Antworten fielen so ungenügend aus, dass jetzt der US-Kongress mit Hochdruck an einem nationalen Anti-Doping-Gesetz bastelt. Kommt die Vorlage durch, müssen auch Basketball-, Baseball-, Hockey- und Football-Spieler mit einer Zwei-Jahres-Sperre für das erste Dopingvergehen rechnen und mit dem Karriereende nach dem zweiten Verstoß.Außerdem wird den Ligen ein Anti-Doping-Beauftragter des Weißen Hauses vor die Nase gesetzt.

Montgomerys Richter urteilen nun in einem der bisher wichtigsten Dopingverfahren. Zu welchen Winkelzügen es dabei kommt, lässt sich schwer vorhersehen. So soll der Sprinter zwar nach einem Bericht des „San Francisco Chronicle“ vor einer Grand Jury die Einnahme von THG und Wachstumshormon zugegeben haben, doch diese Aussage im Zuge der Balco-Ermittlungen darf der CAS nicht berücksichtigen. Weitere Aussagen will Montgomery erst einmal nicht machen.

Unklar ist, welche Rolle Balco-Gründer Victor Conte in dem Verfahren spielen wird. Er scheute sich bislang nicht, zum Beispiel Jones öffentlich an den Pranger zu stellen – und handelte sich prompt eine Schadenersatzklage ein. Montgomerys Anwälte versuchen jetzt, Contes Aussagen als Rache an Montgomery und Jones zu diskreditieren. Bislang wird eine Aussage Contes in diesem Verfahren nicht erwartet. Im September muss sich Conte jedoch gemeinsam mit seinem Stellvertreter und zwei Trainern vor Gericht verantworten. Falls es dazu tatsächlich kommt. Denn Insidern zufolge basteln die vier derzeit mit Hochdruck an einem Handel mit der Staatsanwaltschaft, der ihnen bei einem Schuldeingeständnis geringe Strafen ohne Prozess sicherte.

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