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SEITEN Wechsel: Carl Diem: Aktiv gewirkt

War Carl Diem ein Revolutionär des deutschen Sports? Ein Buch zeigt seine Rollen in der NS-Zeit.

Waren zu Recht viele Straßen nach dem Mann benannt, der den olympischen Fackellauf, die Bundesjugendspiele und das Sportabzeichen eingeführt hatte? Oder verkörperte Diem (1882-1962) ein reaktionäres Konzept? Hatte er im März 1945 auf dem Berliner Reichssportfeld mit einer Rede Hunderte Jugendliche eines NS-Volkssturmbataillons in den Tod geschickt? All diese Fragen erforscht der Historiker Frank Becker seit 2004. Die beiden ersten Bände, die Becker nun über Diems Wirken in der Kaiserzeit und im NS-Reich vorgelegt hat, dürften neue Diskussionen auslösen.

Solide recherchiert und gut lesbar zeichnet Becker den rasanten Aufstieg Diems nach. Frühe Briefe Diems zeigen antijüdische Ressentiments; so bezeichnete er Juden als „Semitenbande“. Ein differenziertes Bild zeichnet Becker für die NS-Zeit: Diem wurde 1933 degradiert und zeigte laut Becker Distanz zum Regime. Im Organisationskomitee für Olympia 1936 in Berlin beschäftigte er jüdische Mitarbeiter. Den Auftritt Diems im März 1945 bezeichnet Becker aber als „Durchhalterede“. Hier habe Diem „aktiv mitgewirkt an der Einschwörung von jugendlichen Soldaten auf den so genannten Endkampf um die Reichshauptstadt“.

Nach dieser Biografie sind weitere Umwidmungen von Carl-Diem-Straßen wohl nur ein Frage der Zeit.

Frank Becker: Den Sport gestalten – Carl Diems Leben. Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Duisburg. 19,90 Euro pro Band. Weitere Bände sind für 2010 avisiert.

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