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Sport: Sekunden, die die Welt verändern

Von Pfaff bis Kahn: Die kuriosesten und tragischsten Torwartfehler der vergangenen Jahre

„In diesem Geschäft können sich innerhalb von Zehntelsekunden Welten verändern“, sagt Oliver Kahn. Kein Spieler einer Fußballmannschaft steht so im Fokus wie der Torwart. Hält er Torwart einen Elfmeter, ist er ein Held. Passiert ihm ein Fehler, können Fans und Mitspieler nur hilflos zuschauen. Eine Auswahl der kuriosesten und tragischsten Torwartfehler der vergangenen Jahre.

Es ist der erste Spieltag der Saison 82/83. Der in der Sommerpause verpflichtete Jean-Marie Pfaff steht erstmals im Bayern-Tor. In der 43. Minute bekommt Bremen einen Einwurf an der linken Seitenlinie zugesprochen. Uwe Reinders wirft den Ball weit in den Fünfmeterraum. Pfaff versucht, den Ball zu fangen, wird dabei von seinem Mitspieler Klaus Augenthaler behindert und lenkt den Ball mit den Fingerspitzen ins eigene Tor. Hätte er den Ball nicht berührt, hätte es Abstoß gegeben. Es bleibt das einzige Tor dieses Spiels.

Energie Cottbus verteidigt wacker, sehnt aber so langsam auch den Schlusspfiff herbei. Die Mannschaft führt 3:2 gegen Mönchengladbach, nur vier Minuten noch. Da schießt an diesem 6. April 2002 Marcel Witeczek aus 20 Metern aufs Cottbuser Tor, mehr eine Verzweiflungstat als eine gezielte Aktion. Doch dann geht es in Bruchteilen von Sekunden drunter und drüber: Der Ball wird abgefälscht, scheint in einem hohen Bogen über das Tor zu fliegen, senkt sich aber urplötzlich wie von Geisterhand niedergedrückt. Tomislav Piplica im Cottbuser Tor regt sich kaum, der Ball prallt auf seinen Kopf, von dort ins Netz. 3:3 – zugleich der Endstand.

„Wir haben heute nicht nur für die eigenen Tore, sondern auch für die der Bayern gesorgt“, sagt Werder-Trainer Otto Rehhagel nach dem 4:3-Sieg seiner Mannschaft im Münchner Olympiastadion. Das kurioseste Gegentor der Bremer ist das 2:3: Torhüter Oliver Reck greift bei einem Eckball daneben. Bayerns Brasilianer Mazinho stößt den Ball mit dem Kopf an die Latte. Den zurückspringenden Ball lenkt der orientierungslose Reck mit dem Kopf ins eigene Tor. Nach diesem 30. November 1991 wird Reck seinen Spitznamen nicht wieder los: „Pannen-Olli“.

Für die Fußball-Geschichtsbücher wird später noch einmal exakt nachgemessen: 52 Meter waren es. Ein Nachmittag im September 2000; der 1. FC Köln hat gerade das zweite Tor in Berlin erzielt hat. Hertha BSC liegt 0:2 zurück, die Fans schimpfen und fluchen – und niemand guckt aufs Spielfeld. Was soll schon passieren? Anstoß halt. Und während die Fans noch jammern, hat Alex Alves längst abgezogen. Aus 52 Metern. Kölns Torwart Markus Pröll steht weit vor seinem Tor. Warum nicht? Wer zieht schon vom Mittelpunkt ab? Und dann fliegt der Ball und fliegt – und schlägt hinter Pröll ein. „Hier kommt Alex“, dröhnt es aus den Boxen. Ein Lied der Toten Hosen, Pröll wird es hassen. An diesem Tag schießt Hertha noch drei weitere Tore und gewinnt 4:2. Alves’ 52-Meter-Bogenlampe wird später zum Tor des Jahres gewählt.

Ein lauer Sommerabend in den Neunzigerjahren. Hertha BSC führt 1:0 in Jena. In der 73. Minute kommt Libero Frank Rohde an den Ball und passt zu Herthas Torwart Walter Junghans zurück. Der Ball kullert über 20 Meter, schnurgerade, nicht zu lasch. Junghans kommt aus dem Tor gelaufen, holt aus, und – hops! – da macht der Ball plötzlich einen Satz auf dem holprigen Rasen, springt über das ins Leere dreschende Bein des Keepers und rollt ins Tor. 1:1. Junghans kann es nicht fassen. Eine Woche später wird der Treffer zum „Tor des Monats“ in der ARD gewählt. Junghans und Rohde holen die Medaille nie ab.

In der Halbzeitpause wird Jürgen Pahl erlöst und darf in der Kabine bleiben. Was für eine Schmach! Dezember 1982: Der Torhüter von Eintracht Frankfurt hält den Ball in der Hand und will ihn zu einem Kollegen werfen. Ganz einfach, tausend Mal probiert. Doch dieser Abwurf wird nie ankommen. Irgendwie hatte sich Pahl zu schnell gedreht und einfach den Überblick verloren, jedenfalls rotiert er wie ein Diskuswerfer im Fünfmeterraum, lässt den Ball los – und schleudert ihn ins eigene Netz. Nach drei Minuten Spielzeit! Am Ende gewinnt Werder Bremen 3:0.

Es steht 0:0, noch 23 Minuten sind zu spielen. Eigentlich beste Aussichten für einen Außenseiter in einem Weltmeisterschafts-Finale. Deutschland gegen Brasilien lautet die Partie, es ist der 30. Juni 2002 in Yokohama. Oliver Kahn hat im gesamten Turnier nur ein Gegentor hinnehmen müssen, doch in der 67. Minute wird die Welt des neuen Helden im Team auf den Kopf gestellt: Rivaldo zieht ab, Kahn kann den harmlosen Schuss nicht festhalten, Ronaldo staubt ab. Kahns Fehler leitet Brasiliens 2:0-Sieg ein. AG/cbu/hude/kad

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