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Sport: Selbstbewusstsein aus dem Videorekorder Wie die Biathletin Kati Wilhelm rechtzeitig

zur WM zurück zu alter Stärke fand

In der trainingsfreien Weihnachtszeit hat Kati Wilhelm in alten Videos gekramt, die ihre Eltern für sie gesammelt haben. Es waren keine besinnlichen Filme, die die 27-jährige Biathletin sich gemütlich von der Couch aus anschaute. Kati Wilhelm sah Kati Wilhelm bei Wettkämpfen durch die Loipe rennen, als Langläuferin des deutschen Weltcupteams bis 1999 und als Biathletin 2003 sowie zu Beginn dieser Saison. „Ich habe mir Szenen gesucht, wo ich nicht gleich wieder aus dem Bild husche“, erzählt Kati Wilhelm vor dem ersten Wettkampf heute bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Hochfilzen. Die Olympiasiegerin von Salt Lake City suchte auf dem Bildschirm ihre alte Laufform. Diese war vor über einem Jahr verloren gegangen, als die Thüringerin eigentlich versucht hatte, ihre Technik zu verbessern. Doch statt besser wurde sie schlechter. Deshalb hat sie sich das unbefriedigende Jahr 2004 auch nicht auf Video angetan.

Die Zeit vor dem Fernseher hat sich gelohnt. In Oberhof, beim ersten Weltcup nach Weihnachten, lief sie einmal als Dritte und einmal als Zweite ins Ziell. Es war der Auftakt zu den glanzvollsten Weltcupwochen in Kati Wilhelms Karriere. In den zwölf Einzelrennen seit Anfang Januar kam sie achtmal unter die ersten vier – zweimal wurde sie Erste, einmal Zweite, dreimal Dritte und zweimal Vierte.

Dass sie derzeit von niemandem zu bremsen ist, zeigte sich in San Sicario, auf der Olympiastrecke von 2006: Nach einer Grippe hatte sie einen Trainingsrückstand und war sich gar nicht sicher, ob sie überhaupt starten sollte. Schließlich einigte sie sich mit Bundestrainer Uwe Müssiggang darauf, mit gebremstem Ehrgeiz zu laufen. Das funktionierte freilich nicht – über 15 Kilometer, die nicht zu ihren Lieblingsdisziplinen zählen, errang Kati Wilhelm als Dritte erstmals in ihrer Karriere einen Podestplatz, zwei Tage später siegte sie im Sprint. Damit übernahm sie die Führung im Gesamtweltcup und zählt in Hochfilzen zu den Favoritinnen – auch wenn ihre Erinnerungen an den Ort in Tirol nicht nur positiv sind. Beim letzten Weltcup dort im Dezember 2003 „hat es gestürmt, geregnet und geschneit“, erinnert sie sich, „und viele Zuschauer waren auch nicht da“. Um fehlende Fans muss sie sich freilich nicht sorgen. Auf der Tribüne haben nicht, wie vor 15 Monaten, 4000 Zuschauer Platz, sondern mehr als 10000. Und auch das Wetter spielt mit, gestern trainierten die Deutschen bei Sonnenschein.

„Kati absolviert ihre bislang beste Saison. Sie wirkt locker und selbstbewusst“, sagt Uwe Müssiggang. Die Sportsoldatin beschreibt ihre Erleichterung auf ihrer Homepage: „Ihr glaubt gar nicht, wie glücklich ich bin, dass es bei mir jetzt wieder so gut läuft. Es hatte mich total gewurmt, dass ich läuferisch mit den Besten nicht mehr mithalten konnte“ – ausgerechnet sie, die ehemalige Langläuferin.

Den ersten entscheidenden Schritt zurück zu alter Stärke tat Kati Wilhelm im Sommer. Sie zog von Oberhof nach Ruhpolding, wo sie seither oft gemeinsam mit Uschi Disl trainiert. Der Wechsel war „wichtig für die Motivation. Wenn man Spaß im Training hat, kann man sich auch besser quälen und ist mit dem Kopf besser dabei“. Die Qual soll sich jetzt auch bei der WM auszahlen, nach den unbefriedigenden Ergebnissen der vergangenen beiden Titelkämpfe. 2003 in Sibirien war Platz 22 Wilhelms beste Platzierung in einem Einzelrennen, 2004 in Oberhof Rang zehn. Vielleicht sollte sie sich vor dem heutigen Sprint-Rennen über 7,5 Kilometer (14 Uhr, live in der ARD) ein Video von der WM 2001 in Slowenien anschauen. Der Name der damaligen Sprint-Weltmeisterin: Kati Wilhelm.

Helen Ruwald[Hochfilzen]

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