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Sport: Sendung zu verkaufen

Der Korruptionsskandal der ARD verdeutlicht das Dilemma der kleinen Sportarten: Ohne zu zahlen, kommen sie kaum ins Fernsehen

Berlin - Hans-Ludwig Grüschow war nicht beim Hallenfußballturnier in Halle. Als dort im Januar 2004 die zweite Mannschaft des Halleschen Fußballklubs gegen den tschechischen Zweitligisten FK Pardubice um den so genannten Techem-Cup spielte, hatte der Vorsitzende der Deutschen Sporthilfe Wichtigeres vor. „Mit dem Turnier 2004 habe ich so viel zu tun wie eine Kuh mit Schlittschuhlaufen“, sagte Grüschow am Montag dem Tagesspiegel. Dass er sich überhaupt zu diesem Spiel äußern muss, liegt an der derzeit heftigen Debatte um die Moral im Sportjournalismus.

Zurzeit drängen sich immer mehr Fragen auf: Wie eng arbeiten Fernsehsender auf der einen Seite und Sportveranstalter und Verbände auf der anderen zusammen? Unter welchen Bedingungen versuchen Manager und Akteure, Sportereignisse im Fernsehen zu platzieren?

Grüschow hatte als Vorstandschef der Techem AG, einem Heizungstechnik-Unternehmen, 1997 einen Kooperationsvertrag mit dem Sportreporter Wilfried Mohren zu verantworten. Der inzwischen suspendierte Sportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) sitzt in Haft – ihm wird Korruption vorgeworfen. „Der Journalist hat für Moderationen insgesamt etwa 100 000 Euro bekommen“, sagt Techem-Sprecher Stefan Lutz. Der Vertrag mit Mohren ist gekündigt, und Grüschow ist längst nicht mehr bei Techem aktiv. Er sagt: „Der Vertrag mit Herrn Mohren ist rechtlich einwandfrei.“

Erstaunlich ist: Das unbedeutende Endspiel in Halle wurde vom MDR übertragen. Aus Ermittlerkreisen in Frankfurt am Main berichtet „Der Spiegel“, dabei habe es sich um eine Art Gegengeschäft für die Techem AG gehandelt, die Hauptsponsor des Turniers war. „Auf die Übertragungen haben wir keinen Einfluss genommen“, sagt Techem-Sprecher Lutz und verweist auf den Ausrichter, die Agentur „Top Sport“ in Queis. „Wir haben den MDR und andere Medien normal angefragt, ob sie über das Turnier berichten wollen“, sagt wiederum Frank Mappes, der Geschäftsführer von „Top Sport“. Nach dem Turnier sei er aber vom MDR aufgefordert worden, dafür zu sorgen, dass es beim nächsten Mal zu einem höherklassigen Finale kommen solle. „Die haben mir gesagt, sie wollten keine Vabanquespiele mit zweiten Mannschaften mehr“, sagt Mappes.

Diese Aussagen, zu denen der MDR am Montag keine Stellung nahm, werfen ein Schlaglicht auf die veränderten Bedingungen in der Sportrechtebranche. Falls die Vorwürfe tatsächlich stimmen, bewegen sich offenbar Fernsehsender, Sponsoren und Veranstalter immer mehr aufeinander zu – möglicherweise sogar so weit, dass die Grenzen zwischen ihnen verwischt werden und sich eine fatale Interessengemeinschaft bildet, in der journalistische Grundsätze genauso wenig eine Rolle spielen wie sportliche Werte. Zahlten früher Sender für den Rechteerwerb Geld an Veranstalter, bezahlen inzwischen die Verbände oder Ausrichter kleinerer Turniere oder Ligen dafür, ins Fernsehen zu kommen. Zuweilen schalten sie für die Verhandlungen auch Agenturen ein.

In Hessen ist es dabei offenbar zu kriminellen Auswüchsen gekommen. Der entlassene Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR) Jürgen Emig soll Sportler und Veranstalter dazu gedrängt haben, Verträge mit der Marketingagentur seiner Frau und der seines Freundes Harald Frahm abzuschließen. Frahm war Präsident des Deutschen Tanzsportverbandes – inzwischen ist er in Haft und wegen der Affäre von seinem Amt zurückgetreten. Der Tanzsportverband hatte sich schon mehrmals an Übertragungskosten von Fernsehsendern beteiligt. Verbandssprecher Falko Ritter sagt dazu: „Das ist Gepflogenheit bei Sportarten, die keine Selbstläufer sind.“ Am heutigen Dienstag will sich das Präsidium des Tanzsportverbandes mit den Vorgängen beschäftigen. Denn ob Veranstaltungen auch über Frahms Agentur abgewickelt wurden und so in die ARD kamen, kann Ritter „weder bestätigen noch dementieren“.

Frahms Agentur war auch an der Vermarktung von Reit- und Radturnieren in Frankfurt am Main beteiligt. Bei der Triathlonveranstaltung Ironman Frankfurt soll der Veranstalter dem Hessischen Rundfunk laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ 80 000 Euro Zuschuss zu den Produktionskosten gezahlt haben – beim HR kamen jedoch nur 33 000 Euro an.

Die Übernahme von Produktionskosten ist schon seit den Neunzigerjahren gängige Praxis. Als erste Liga einer olympischen Sportart kaufte die Tischtennis-Bundesliga ihre Fernsehzeit selbst ein. 1997 bezahlte die Bundesliga dem Deutschen Sportfernsehen 600 000 Mark und bekam dafür zwölf Live-Übertragungen. „Innerhalb der Übertragungen konnten wir Werbung platzieren und hatten damit eine attraktive Plattform für unsere Sponsoren“, berichtet Rainer Ihle, der den Vertrag für die Liga ausgehandelt hatte. Über die verkaufte Werbung hätte die Bundesliga die 600 000 Mark wieder zurückgeholt.Der TTC Ochsenhausen, dessen Präsident Ihle ist, kam in einer Saison Ende der Neunzigerjahre sogar auf eine Fernsehpräsenz von 22 Stunden im In- und Ausland, weil Eurosport noch die Tischtennis-Champions- League übertrug. Die Zusammenarbeit zwischen DSF und Tischtennisliga besteht jedoch nicht mehr. „Das DSF hat uns nur unattraktive Sendeplätze angeboten“, sagt Ihle. In der vergangenen Saison kam Ochsenhausen nur auf eine Fernsehpräsenz von drei bis vier Stunden. „Zum Erfolg kommt offenbar nur noch, wer unseriös arbeitet. Vielleicht sind wir im Tischtennis einfach zu nett“, sagt Ihle.

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