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Die Nummer eins im Norden. Hohen Neuendorf hat vom Rückzug des 1. FC Lübars profitiert und die beste Platzierung der Vereinsgeschichte erreicht.

© imago/foto2press

Serie: Berliner Klubs der zweiten Reihe: BW Hohen Neuendorf hat den Nachbarn beerbt

Die Fußballerinnen aus Hohen Neuendorf spielen in der Zweiten Liga und werden von einem ehemaligen Hertha-Profi trainiert.

In Berlin und Umgebung gibt es in jeder Teamsportart mindestens einen großen Klub. Diese Vereine prägen die Sportszene der Hauptstadt und stehen im Fokus. Dabei gibt es in ihrem Schatten zahlreiche Vereine, von denen auch die Branchenführer profitieren. Diese Vereine stehen in der zweiten Reihe und müssen oft um Aufmerksamkeit kämpfen. Wir stellen in unserer Serie die Klubs hinter den großen Klubs vor. Nach den Volleyballern vom VC Olympia und den Basketballerinnen des TuS Lichterfelde nun die Fußballerinnen von Blau-Weiss Hohen Neuendorf:

Wenn Oliver Zabel an den Sommer vor einem Jahr denkt, kann man den damaligen Stress in seiner Stimme deutlich hören. Für den 2. Vorsitzenden von Blau-Weiss Hohen Neuendorf und den gesamten Klub waren der Mai und Juni 2016 ein Wechselbad der Gefühle. „Bis zum Relegations-Hinspiel haben wir auf den Klassenerhalt gehofft und zweigleisig geplant“, sagt der 37 Jahre alte Berufssoldat. Dort gab es jedoch eine „Riesenklatsche“, 1:7 beim SV Weinberg. Selbst der tollkühnste Optimist hätte da nicht mehr auf eine Zukunft in der 2. Frauen-Bundesliga gehofft. Mit Recht, denn das 3:3 im Rückspiel an der heimischen Niederheide besiegelte Ende Mai den sportlichen Abstieg. Ziemlich genau einen Monat lang waren die Hohen Neuendorfer Frauen offiziell drittklassig, alle Planungen waren auf die Regionalliga ausgerichtet.

Doch dann zog der Nachbar aus Lübars seine Mannschaft aufgrund finanzieller Probleme wenige Wochen vor dem Saisonstart zurück und Blau-Weiss blieb doch zweitklassig. „Der Sommer war sehr schwierig“, sagt Zabel und es klingt fast wie eine Untertreibung. Neue Spielerinnen mussten her, organisatorisch und logistisch musste umgeplant werden – und das alles binnen weniger Tage. Zabels Telefon stand nicht mehr still.

Doch die Mühe hat sich gelohnt. In Berlin und Umgebung ist Hohen Neuendorf mittlerweile die klare Nummer zwei hinter Turbine Potsdam. In der vor wenigen Wochen beendeten Spielzeit wurde der etwa zwei Kilometer jenseits der nördlichen Stadtgrenze Berlins beheimatete Klub Tabellenachter. Noch hinter der zweiten Mannschaft von Turbine, aber vor dem 1. FC Union, der in die Regionalliga abgestiegen ist. In der Zweiten Liga ist nun keine Mannschaft aus Berlin mehr vertreten, wobei Hohen Neuendorf zumindest Mitglied im Berliner Fußball-Verband ist.

Über Jahre stand der Klub im Schatten des 1. FC Lübars. Der Nachbar im äußersten Norden Berlins hatte eine Kooperation mit Hertha BSC und wurde 2015 sogar Meister der Zweiten Liga, verzichtete aus finanziellen Gründen aber auf den Aufstieg. „Lübars war über Jahre eine große Nummer und hat super Arbeit gemacht. Deshalb ist der Rückzug natürlich schade“, sagt Zabel. Schadenfreude liegt ihm fern, zumal sich beide Vereine gegenseitig schätzen würden.

Ohne den Rückzug von Lübars wäre die jüngste Entwicklung in Hohen Neuendorf allerdings nicht möglich gewesen. „Es wäre Quatsch zu behaupten, dass wir davon nicht profitiert hätten“, sagt Zabel. Allein die Frauen-Mannschaft verpflichtete vor einem Jahr neun Lübarserinnen. Das hob das spielerische Niveau des Kaders zwar deutlich an, erforderte aber auch eine gewisse Eingewöhnungszeit. „Das vergangene war ein Integrationsjahr“, sagt Zabel. Auch wenn die Saison nicht vollends zufriedenstellend war, liegt der Klub im Soll.

B-Juniorinnen sind in die Bundesliga aufgestiegen

In der kommenden Saison gilt es dann. Die ersten sechs Mannschaften der Tabelle qualifizieren sich für die ab der Saison 2018/19 nur noch eingleisige Zweite Liga. „Das ist unser oberstes Ziel“, sagt Zabel. Eine essentielle Rolle beim Erreichen dieser Maßgabe ist Dieter Timme angedacht. Der ehemalige Hertha-Profi (200 Ligaspiele von 1979 bis 1988) ist neuer Trainer in Hohen Neuendorf. Der Fußballlehrer soll das Team „auf ein anderes Niveau heben“, wie Zabel sagt.

Einfach wird die Qualifikation für die eingleisige Zweite Liga nicht, denn über Platz acht ist der Verein noch nie hinausgekommen. Laut Zabel erlebt die Frauenabteilung momentan die erfolgreichste Zeit der Klubgeschichte. Das hängt auf der einen Seite natürlich mit der Frauenmannschaft zusammen, auf der anderen aber in großem Maße mit den B-Juniorinnen. Die sind in der vergangenen Saison vor Lübars Berliner Meister geworden und spielen künftig in der Bundesliga. „Für die Entwicklung des Vereins ist es sehr wichtig, dass wir auch im Nachwuchs so weit oben wie möglich spielen“, sagt Zabel. So entstünde eine Sogwirkung für junge, talentierte Spielerinnen, die den Standort Hohen Neuendorf noch attraktiver machen würde.

Bei den Zuschauern hat sich solch eine Wirkung noch nicht eingestellt. Zu den Heimspielen der Frauen kommen meist zwischen 50 und 100 Zuschauer. Das sind immerhin in etwa so viele wie bei den Männern in der siebtklassigen Landesliga. „Es ist schwierig Zuschauer zu akquirieren, besonders im Frauenfußball. Viele wissen gar nicht, dass hier Zweitliga-Fußball gespielt wird“, sagt Zabel. Auch die Suche nach Sponsoren ist nicht einfach. Denn wo es kaum Zuschauer und Medieninteresse gibt, da hält sich auch die Attraktivität für Sponsoren in Grenzen. Bewegtbilder sind von der Zweiten Liga kaum zu sehen, die Übertragungsrechte hält der DFB. Darin besteht eines der größten Probleme im Frauenfußball. Hohen Neuendorf ist die Nummer zwei in der Region, spielt in der Zweiten Liga – und niemand bekommt es mit. Damit sich das ändert, opfern Zabel und seine Vereinskollegen ehrenamtlich viele Stunden und das Telefon klingelt wieder ununterbrochen.

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