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Maximilian Planer, 28, gehört zum erfolgreichen Deutschland-Achter. Foto: Stache/dpa

© picture alliance / dpa

Serie "Mein Sport und ich" (9): Unter Wölfen

Rudern ist eine der trainingsintensivsten Sportarten. Doch im Achter sind die menschlichen Herausforderungen oft noch größer.

Sport bedeutet Leidenschaft, harte Arbeit – und Verzicht. In unserer Serie erzählen Athleten ganz persönlich, wie viel Kraft das kostet und was sie für ihre Sportart auf sich nehmen.

Es ist ein Gefühl von Freiheit, wenn man im Boot über das Wasser gleitet. Das hat mich als Kind immer schon fasziniert und mir total Spaß gemacht. Auch, dass man das Beste aus sich herausholen kann, dass man sich täglich schinden kann. Ich habe im Alter von zehn Jahren mit dem Rudern angefangen, ein Leistungssport wurde aber erst mit 14 draus, weil ich davor nicht großartig erfolgreich war. Ich war faul im Training. Doch dann wollte ich schauen: Kann ich es schaffen, wenn ich mir zu hundert Prozent den Hintern aufreiße? Mit der Einstellung gehe ich heute immer noch heran. Dadurch bin ich dahin gekommen, wo ich jetzt bin.

Das Gefühl von Freiheit ist für mich auch der große Unterschied zwischen Hobby- und professionellem Rudern. Beim Hobby steht der Spaß mehr im Vordergrund. Wenn man aber mehr als 200 Kilometer in der Woche rudert, dann genießt man natürlich nicht mehr jeden einzelnen Ruderschlag. Da ist dann sehr viel Akribie und Arbeit dabei, um technische Fehler auszumerzen und sich weiterzuentwickeln. Manchmal muss man sich schon daran erinnern, dass es Spaß machen soll. Die Ergebnisse zählen mehr, doch wenn man Ziele und Spaß in Einklang bringen kann, dann hat man viel erreicht. Wenn man sieben Tage in der Woche zum Training muss, hat man vor allem das große Ziel im Kopf. Früher war es der Gewinn einer Medaille bei der Junioren-WM. Heute ist es der Traum von Olympia und einer Medaille dort.

Um das zu erreichen, gehört harte Arbeit dazu, denn Rudern ist eine sehr trainingsintensive Sportart. Schwächen zu beseitigen wird mit der Zeit schwieriger als Stärken auszubauen. Vor allem ist es an den Tagen hart, an denen man schwer aus dem Bett kommt. Dann zeigt sich, ob man ein echter Champion ist oder nicht. Teil eines Teams wie dem Team Deutschland-Achter zu sein, ist aber auch menschlich eine wahnsinnig große Erfahrung. Man hängt täglich aufeinander und ist in einer Art Mikrokosmos, umgeben von jeder Menge hungriger Wölfe, die extrem motiviert und engagiert sind. Da misst man sich untereinander im Training und untereinander in der Qualifikation für die verschiedenen Bootsklassen. Zu den Ziel-Wettkämpfen muss man dann aber eine Einheit formen – im Achter, Vierer und Zweier.

Dass ich Teil in so einem Team bin, ist für mich ein Riesenvorteil, weil es so viel einfacher ist, das Trainingspensum zu schaffen, als wenn man nur so für sich allein trainiert. Allerdings gibt es durch die eingeschliffenen Mechanismen auch weniger Abwechslung im Training sowie eine schlechte individuelle Aussteuerung. Wir sind nun mal 20 bis 25 Mann in der Trainingsgruppe und alle trainieren das Gleiche. Wenn der gesamte Trainingsplan nicht zu den persönlichen körperlichen Anforderungen passt, dann hat man ein Problem.

Außerdem ist in einer Mannschaft natürlich die persönliche Bindung zum Trainer geringer, als wenn man in einer kleinen Trainingsgruppe trainiert. Den Bundestrainern ist es letztlich wichtig, Boote zu finden, die bei Weltmeisterschaften oder bei Olympischen Spielen erfolgreich sind. Denen ist es egal, wer genau drinsitzt. Es schult, so ein Auswahlverfahren trotzdem mit Selbstvertrauen durchzustehen.

Immer am Limit zu bleiben, ist gerade deshalb nicht immer leicht, da ich für den Profisport auf vieles verzichten muss. Das hat vor allem damit zu tun, dass ich an Dortmund gebunden bin. Hier ist das deutsche Ruderleistungszentrum, hier muss ich sieben Tage in der Woche beim Training erscheinen. So ist es sehr schwierig, mal rauszukommen. Das ist schon eine mentale Belastung, weil es schön wäre, wenn man ein, zwei Tage hätte, an denen man mal wegfahren kann.

Zusätzlich kommt dazu, dass meine Freundin in Berlin wohnt und ich sie, genau wie meine Familie in Sachsen-Anhalt, dadurch sehr selten sehe. Ich kann auch nur sehr schwer Freunde treffen und würde sehr gerne viel mehr reisen. Aber wenn man große Ziele verfolgt, kommt man nicht drumherum, zu verzichten und gewisse Dinge auf sich zu nehmen, damit man diese Ziele erreicht.

Natürlich gab es in meiner Karriere schon Momente, in denen ich überlegt habe aufzuhören, aber das gehört dazu. Letztlich ist es meine freie Entscheidung, auf Wettkampfniveau zu rudern. Deshalb zweifele ich nicht. Es ist für mich ein Privileg, dass ich meine sportlichen Ziele so verfolgen darf. Das versuche ich noch so lange wie möglich zu machen.

Dabei habe die Zeit nach der Karriere immer im Hinterkopf. Ich sage mir oft: Wenn ich das irgendwann mal nicht mehr so professionell mache, dann hole ich einige Sachen nach. Dann freue ich mich darauf, dass ich mit meiner Freundin zusammenziehen, meine Familie öfter sehen und öfter reisen kann. Auch darauf, dass ich mal normale Wochenenden habe. Ich absolviere seit 14 Jahren zwei bis drei Trainingseinheiten am Tag, da macht sich irgendwann ein gewisser Verschleiß bemerkbar. Sport in gesundem Maße: Das ist etwas, auf das ich mich freue. Maximilian Planer

Aufgezeichnet von Christopher Stolz.

Bisher erschienen: Laufen (Jan Fitschen/26.6.), Bogenschießen (Lisa Unruh/2.7.), Turnen (Philipp Herder/12.7.), Wasserball (Melanie Friese/14.7.), Boxen (Robert Maess/18.7.), Rhythmische Sportgymnastik (Anni Qu/21.7), Kugelstoßen (Niko Kappel/23.7.), Kickboxen (Marie Lang/28.7.).

Maximilian Planer

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