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"Das darf einfach nicht passieren", findet Roger Federer

© Reuters

Sicherheitsdebatte bei den French Open: Ein Selfie mit Roger Federer: "Nicht lustig"

Ein Zwischenfall mit Roger Federer offenbart wieder einmal Sicherheitslücken bei den French Open. Dabei sollten die Turnierverantwortlichen eigentlich aus der Vergangenheit gelernt haben.

Gilbert Ysern lief der Schweiß von der hohen Stirn. Es war eine dieser spontan anberaumten Pressekonferenzen, die der Turnierdirektor der French Open gerne vermieden hätte. Doch nun saß der 58-Jährige auf dem Podium im Kreuzverhör von über 100 internationalen Medienvertretern, denen er schon am ersten Tag des größten und prestigeträchtigsten Sandplatzevents der Welt Erklärungen für eine eklatante Sicherheitslücke liefern musste. Doch viel mehr als dünne Entschuldigungen und Lippenbekenntnisse hatte Ysern nach dem heiklen Zwischenfall mit Roger Federer nicht zu bieten. Nach dem Auftaktsieg des Weltranglistenzweiten über Alejandro Falla stürmte am Sonntagnachmittag ein Teenager auf den Court Philippe Chatrier, wollte ein Foto mit Federer machen – und die Sicherheitskräfte schauten lange unbeteiligt zu. Im Zeitalter von Selfie- und Autogrammjägern dachten sich die stämmigen Herren in den dunklen Anzügen, das Anliegen des Jungen sei doch okay. Aber das war es nicht.

„Das war nicht lustig und darf einfach nicht passieren“, echauffierte sich der 33 Jahre alte Schweizer hinterher zurecht. Federer ist ein Weltstar, der stets und überall von Fanscharen belagert wird und dabei keine Berührungsängste hat. Auch weil die Begegnungen meist in einem weitgehend kontrollierten Rahmen stattfinden. Doch der vierfache Vater und Multimillionär ist mitunter eben auch im Visier jener, die nicht bloß ein harmloses Selfie wollen. „Ich habe kein Problem mit Fotos. Aber der Tennisplatz ist einfach etwas anderes, da muss es sicher sein“, betonte Federer, der sofortige Maßnahmen forderte. Ysern war direkt zu ihm in die Umkleide geeilt, um sich für den Vorfall zu entschuldigen. Doch Federer ließ sich schwer besänftigen, denn bereits tags zuvor hatte ihn gleich eine ganze Gruppe Kinder auf dem Trainingsplatz bedrängt, um Autogramme und Fotos zu ergattern – auch dort hatte keiner der Sicherheitsleute angemessen reagiert. „Ich verstehe vollkommen, dass Federer angepisst ist. Was passierte, ist schlicht nur peinlich“, sagte Ysern betrübt: „Die Sicherheitsleute haben ihren Job nicht richtig gemacht.“

Im Finale 2009 stürmte Jimmy Jump auf den Centre Court

Dennoch sah der Turnierchef keinen Anlass, um am Sicherheitskonzept etwas zu ändern. Es sei einfach eine Fehleinschätzung der Mitarbeiter gewesen, stellte Ysern etwas lapidar fest. Und nach den Anschlägen im Januar auf die Redaktion des Magazins Charlie Hebdo seien die Maßnahmen in Roland Garros ohnehin generell verschärft worden, erklärte Ysern, und man stehe in engem Kontakt mit der Pariser Polizei. Dennoch sind die aktuellen Vorfälle auf der Anlage alarmierend. Denn unter Yserns Ägide hatte es immer wieder derartige Pannen bei den French Open gegeben, die schwerste bisher im Finale 2009. Dort war es dem selbsternannten Aktionskünstler Jimmy Jump mit Leichtigkeit gelungen, auf den Platz zu stürmen und Federer eine Baskenmütze aufzusetzen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit war Jump von den Sicherheitskräften gestoppt worden. „Das war damals die unangenehmste Situation“, sagte Federer, der auch schon bei den Turnieren in Montreal und Wimbledon ungebetenen Besuch auf dem Spielfeld hatte, „ich wusste nicht, was der Typ wollte. Auf einmal war er da.“ Dieses Mal blieb die Selfie-Attacke harmlos. Der übereifrige Teenager bekam für die Dauer des Turniers Hausverbot in Roland Garros.

Doch auch Federer konnte das Was-wäre-wenn-Szenario nicht völlig ausblenden. „Schließlich erinnere ich mich gut an Monica Seles“, gab Federer zu Bedenken. Die US-Amerikanerin war 1993 am Hamburger Rothenbaum von einem verwirrten Fan von Steffi Graf mit einem Messer am Rücken verletzt worden. Das Attentat hatte nicht nur die Tenniswelt geschockt, Seles fand danach nicht mehr in ihr altes Leben zurück. Der Glaube an die totale Sicherheit war seither nicht mehr als bloße Illusion. Die Krux jedoch ist, dass die Fans Stars zum anfassen fordern und die Turniere diese Nähe auch gerne bieten wollen. Aber es sind eben inzwischen Zeiten, in denen auch Selfies zum Sicherheitsrisiko werden können.

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