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Sport: „Sie haben keine Angst“

Bundestrainer Giovanni Guidetti über die Qualität der deutschen Volleyballerinnen

Signore Guidetti, erklären Sie uns doch mal, wie man einen Olympiasieger besiegt.

Um China zu schlagen, muss vieles zusammenkommen. Als Erstes benötigen Sie natürlich ein Team, das den Willen hat, Großes zu leisten. Die Deutschen haben diese speziellen Athletinnen mit dieser speziellen Ausstrahlung. Weiterhin brauchen Sie eine gute Vorbereitung, eine besondere Motivation und den Glauben, dass es gelingt. Schließlich bleiben die Chinesinnen nicht ihr ganzes Leben lang Olympiasieger. Wenn der Gegner noch einen nicht perfekten Tag erwischt, klappt es. Für uns war es ein perfekter Tag.

Sie haben gesagt, für Sie sei das deutsche Team vom Spirit das beste der Welt.

Das glaube ich, weil in jedem Moment, in dem die Spielerinnen zusammenkommen, zu spüren ist, dass es sich um eine Einheit handelt. Die kämpfen zusammen, spielen zusammen, feiern zusammen, und wenn sie das Feld betreten, haben sie vor nichts und niemandem Angst. Sie glauben, jeden schlagen zu können. Für mich ist es eine Ehre und ein Vergnügen, diese Mannschaft trainieren zu dürfen.

Angelina Grün ist auch in Japan die erfolgreichste Punktesammlerin im Team, aber sie dominert nicht so wie zuletzt.

Absolut, ich sehe dieses Team wie ein Orchester: Jeder hat seinen Part zu spielen und dabei möglichst professionell zu agieren. Die erste Geige kommt auch nur dann zum Tragen, wenn alles drumherum perfekt arrangiert ist.

Junge Spielerinnen wie Kathleen Weiß oder Corina Ssuschke spielen enorm stark. Hat Deutschland genügend Talente?

Deutschland hat die Möglichkeit, Volleyball auf Dauer auf ein sehr hohes Niveau zu heben. Wir haben jetzt gute Spielerinnen, und das Nachwuchsprogramm funktioniert auch. Um große Resultate möglich zu machen, benötigst du Zeit, Erfahrung und ein bisschen Glück.

Dennoch haben Sie wie Ihr Vorgänger Hee Wan Lee die technische und taktische Ausbildung kritisiert. Wird in den Bundesligaklubs zu wenig gearbeitet?

Als Kritik will ich das nicht verstanden wissen, es war eher eine Bestandsaufnahme. Meine Überzeugung ist, dass es zwischen der Arbeit einer Nationalmannschaft und der einer professionell arbeitenden Klubmannschaft keine großen Unterschiede geben darf. Wir haben im Sommer sechs bis sieben Stunden täglich in der Halle gestanden. Daran müssen sich die großen Klubs orientieren, das tun sie.

Und da gibt es Nachholbedarf?

Unser Trainingsniveau muss in Deutschland Standard werden. Natürlich nicht in jeder Phase der Saison. Aber ein gewisser Umfang an technischer und taktischer Arbeit muss immer gewährleistet sein.

Ist Ihnen klar, dass Sie sich mit solchen Äußerungen keine Freunde machen? Die Bundesligisten sehen das als Einmischung in interne Angelegenheiten.

Da mache ich mir keine Sorgen. Ich erlebe bislang eine gute Kooperation mit den Bundesligatrainern und ihren Klubs. Ich habe sie zum Lehrgang nach Kienbaum eingeladen, und wir haben dort sehr gute Gespräche geführt. Außerdem hat die Liga ihren Spielbetrieb länger als notwendig unterbrochen, um mir eine bessere Vorbereitung zu garantieren. Dafür bin ich dankbar.

Sie trainieren die deutschen Volleyballerinnen bislang auf Honorarbasis und haben in Ihrer Heimat noch einen weiteren Job beim Erstligisten Chieri. Soll das so bleiben?

Es ist mein fester Wunsch, weiter mit der deutschen Nationalmannschaft zu arbeiten. Zu welchen Konditionen, muss ich mit dem Verband besprechen.

Die Optimisten träumen nach der tollen Vorrunde vom Gewinn einer Medaille.

Oh, das dürfte zu kompliziert werden. Das System dieser WM spricht dagegen. Wir sind jetzt in der zweiten Runde mit den Favoriten Russland, Brasilien und China in einer Gruppe und müssten zwei dieser Teams hinter uns lassen, um ins Halbfinale zu kommen. Hätten wir das System mit der K.o.-Runde ab dem Viertelfinale, würde ich Ihnen sagen: Nichts ist unmöglich mit diesem Team.

Seitdem Sie Bundestrainer sind, predigen Sie Ihren Spielerinnen, dass sie alles erreichen können, wenn sie an ihren Traum glauben und hart arbeiten. Sind Sie der Jürgen Klinsmann der Volleyballer?

Leider kenne ich Herrn Klinsmann nicht sehr gut. Über mich kann ich Ihnen berichten, dass ich den Spielerinnen von Anfang an gesagt habe, was ich über sie denke. Ich bin kein Märchenerzähler, sondern habe gesehen, dass mindestens drei, vier das Zeug haben, in jeder Mannschaft der Welt in der Startformation zu stehen. Da ist also ein sehr hohes Niveau. Du besiegst China nicht mit einem tollen Coach, der die richtigen Worte findet.

Die Fragen stellte Felix Meininghaus.

Giovanni

Guidetti, 34,

ist seit April Trainer der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft der Frauen, die er bei der WM in Japan in die Zwischenrunde geführt hat.

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