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Sport: Sie können es nicht

Wie bei der EM 2004 verliert England im Elfmeterschießen gegen Portugal

Die Beziehung der Engländer zum Elfmeterschießen wird eine einseitig tragische bleiben, bis in alle Ewigkeit und wahrscheinlich darüber hinaus. Eine Stunde lang kämpften zehn Männer in verschwitzten weißen Trikots, dezimiert durch eine Rote Karte gegen Wayne Rooney. Doch als es gegen elf Portugiesen auch nach der Verlängerung 0:0 stand und das Entscheidungsschießen den Teilnehmer am Halbfinale ermitteln musste, da haben sich die mehrheitlich englischen Fans unter den 52 000 Zuschauern im Gelsenkirchener WM-Stadion schon mal auf die Heimreise eingerichtet. Es kam, wie es kommen musste. Die Engländer verloren 1:3, es war die fünfte Niederlage in einem Elfmeterschießen hintereinander. „Kompliment an den Gegner, er hat wunderbar gekämpft“, sagte Portugals Trainer Luiz Felipe Scolari. Das Spiel hatte den Brasilianer sichtlich mitgenommen, aber das Lachen fiel ihm später leicht. Der Einzug ins Halbfinale ist der größte Erfolg Portugals seit 1966. Damals waren die Portugiesen ebenfalls unter die besten vier gestürmt und dort nur knapp mit 1:2 gescheitert, übrigens an England.

Scolaris Kollegen Sven Göran Eriksson fiel das Reden schwer. „Wir haben doch so oft Elfmeterschießen geübt“, sagte Englands schwedischer Trainer. „Ich weiß gar nicht, was ich noch machen soll.“ Er wird nicht mehr viel machen, denn in Gelsenkirchen hat Eriksson zum letzten Mal die englische Nationalmannschaft betreut. Ihm folgt sein Assistent Steve McClaren, der bei der EM 2008 in der Schweiz und Österreich einen neuen Anlauf zu einem großen Titel unternehmen wird, dem ersten seit dem WM-Sieg vor 40 Jahren in Wembley. Damals gab es noch kein Elfmeterschießen, an dem die Engländer hätten scheitern können. „Ich war mir lange Zeit sehr sicher, dass wir dieses Spiel gewinnen würden“, sagte Eriksson. „Aber wenn man gleich drei Elfmeter verschießt, geht das natürlich nicht.“

Den ersten nach 120 torlosen Minuten vergab Frank Lampard, den sie in Chelsea als besten Spieler der Welt feiern, der aber bei der WM wenig gezeigt hat. Nachdem als erster (und einziger) Engländer ausgerechnet der Münchner Owen Hargreaves getroffen hatte, sah es zwischenzeitlich gut aus, weil die Portugiesen Viana und Petit jeweils vergaben. Doch dann scheiterten Steven Gerrard und der eigens fürs Elfmeterschießen eingewechselte Jamie Carragher an Ricardo, die Portugiesen Helder Postiga und Cristiano Ronaldo trafen, und England war draußen.

Auf diese Weise war Albion auch im Viertelfinale der EM 2004 an Portugal gescheitert. Umjubelte und tragische Helden fanden sich gestern in denselben Rollen wieder. Hier Portugals Torhüter Ricardo, der spektakulär drei gar nicht mal schlecht geschossene Elfmeter abwehrte. Dort Wayne Rooney, der vor zwei Jahren mit einem Fußbruch ausschied und sich gestern nach einer Stunde selbst aus dem Spiel nahm, und das auf selten dämliche Art und Weise. Drei Portugiesen hatten bei einem Dribbling wie Kletten an ihm geklebt, als es dem bulligen Stürmer zu viel wurde und er Ricardo Carvalho einen gezielten Tritt in die Weichteile verabreichte. Schiedsrichter Horacio Elizondo aus Argentinien stand in unmittelbarer Nachbarschaft des Tatorts und griff ohne zu zögern zur Roten Karte.

Rooney schlich als Erster aus der Kabine, die Augen halb geschlossen, einen blauen Müllsack über die Schulter geschwungen. Kein Kommentar zu der Szene, die vielleicht die entscheidende des Spiels war. Es dürften in den nächsten Tagen allerlei Vergleiche angestellt werden zwischen Rooneys Herkunft aus einer sozial eher problematischen Gegend in Liverpool und seinem Verhalten auf dem Platz. Er muss sich auf stürmische Tage einrichten, denn bei Tätlichkeiten, die der ganzen Mannschaft schaden, verstehen die Engländer keinen Spaß. David Beckham hat noch Jahre unter seinem Platzverweis gelitten, den er 1998 als hitziger junger Mann im WM-Achtelfinale gegen Argentinien kassierte.

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