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Sport: Sie machen sich aus dem Staub

Wie ein Fremdkörper schlängelt sich die Rallye Dakar durch den Nordwesten Afrikas – die Bevölkerung hat nicht viel von ihr

Jeden Freitag gibt es am Strand von Nouakchott ein Motorradrennen. Etwa zehn junge Fahrer rasen hinter den Dünen um die Wette, und dreihundert Menschen schauen ihnen zu. Weil inzwischen sogar eine Imbissbude aufgebaut ist, könnte man von einer kleinen Rennserie sprechen. Einmal im Jahr ist diese kleine Serie einer großen Rallye ganz nahe, und trotzdem begegnen sie sich nicht. Wenn die Rallye Dakar am Freitag in der Hauptstadt Mauretaniens Station macht, werden die Fahrer einige Kilometer vor den Toren der Stadt anhalten und von dort in das beste Hotel der Stadt gebracht. Am nächsten Tag ziehen sie wieder weiter.

Die Rallye sei nur eine Durchgangsgeschichte, erzählt daher Ingolf Vereno. Er hat sich die Strandfahrer schon angeschaut und leitet in Nouakchott das Büro der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GtZ), die die Entwicklungspolitik der Bundesregierung umsetzt. „Es gibt keine Aktionen für die Bevölkerung, alles ist sehr statisch“, sagt Vereno. Außer den Hoteliers hätte daher kaum jemand in Mauretanien etwas von der Rallye. Es gebe auch keine fliegenden Händler, die Fahnen oder Getränke verkaufen.

Der Mythos der Rallye liegt wohl in ihren Widersprüchen begründet: Dass die Fahrer mit ihrer komplexen Technik durch arme Wüstenstaaten rasen, in denen nur selten Autos und Motorräder verkauft werden und wenn, dann gebrauchte. Dass zwei unterschiedliche Begriffe von Zeit aufeinander prallen. Derjenige der Fahrer, denen es auf jede Minute ankommt, und derjenige der Bewohner, die am Telefon keine Stundenangaben machen, sondern nur vom Morgen sprechen, vom Nachmittag und vom Abend.

So scheint es, als schlängele sich die Rallye Dakar jedes Jahr wie ein großer außerirdischer Wurm durch den Nordwesten Afrikas. Die Bevölkerung sei durchaus interessiert, nur bekomme sie nichts mit von der Rallye, berichtet Vereno. Obwohl in Mauretanien sechs Etappen ausgetragen werden, mehr als in den anderen Ländern. Die Fahrercamps seien den Bürgern versperrt, es gebe kaum Begegnungen, und der staatliche Fernsehkanal in Mauretanien sende ohnehin fast den ganzen Tag Interviews mit Politikern.

Mauretanien, das ist Verenos Einschätzung, könne allenfalls mit den Bildern von der Rallye Touristen anziehen: „Mauretanien ist ein schönes Land, vielleicht verbessert die Rallye das Image.“ Wirtschaftliche Effekte gebe es jedenfalls kaum, und Entwicklungshilfe sei die Rallye schon gar nicht. Um das wenige, was es zu verteilen gibt, kann auch Streit entbrennen. Verenos Kollege Jacques Picard erzählt: „In der Stadt Tidjikja sollte ein Camp für die Rallye Dakar errichtet werden. Alle Aufträge gingen nach Nouakchott, keiner an Arbeiter aus Tidjikja.“

Die Fotografien von Afrikanern, die am Pistenrand die Autos und Motorräder in einer Staubwolke verschwinden sehen, beschreiben die Wirklichkeit offenbar gut. Außerdem wird die Rallye von bösen Gerüchten begleitet. Ein Entwicklungshelfer aus dem Senegal erzählt, im Niger sei einmal ein Brunnen mit Motorenöl verseucht worden.

Im Senegal redet man derzeit dennoch gut über die Rallye. Das Land erwartet gespannt den Tross, der am 18. Januar die Hauptstadt Dakar erreichen soll. Ein Mitarbeiter des Tourismusministeriums sagt, die Rallye wirke sich erfreulich auf den Tourismus aus, Zahlen kann er aber nicht nennen. Der Senegal kann mit seinen Stränden auch französische Badegäste anlocken, während nach Mauretanien eher Abenteuerurlauber reisen.

Im Senegal redet man vielleicht auch deshalb besser über die Rallye, weil die Hauptstadt des Landes der Tour ihren Namen gegeben hat, und es außerdem auch Senegalesen mitfahren. Sindiély Wade zum Beispiel. Sie ist die Tochter von Präsident Aboulaye Wade. Im vergangenen Jahr war die 31-Jährige zum ersten Mal bei der Rallye mitgefahren. Sie wurde Achtundfünfzigste. In diesem Jahr schied sie nach der siebten Etappe aus.

Das große Idol sei sie aber nicht, sagt ein senegalesischer Angestellter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Dakar. Er findet: „Was die Umwelt angeht, ist die Rallye nicht gut. Sie wirbelt so viel Staub und Sand auf.“ Gegen die Rallye ist er nicht, aber man könnte viel mehr aus ihr machen: „Wenn die Rallye in jedem Dorf eine kleine Gebühr zahlen würde, dann könnte man dort vielleicht eine Wasserpumpe bauen oder eine Schule.“

Die Rallye-Organisation muss immerhin an die einzelnen Staaten eine Summe bezahlen, um ihre Fahrer durchschicken zu können. Doch diese Summe dürfte nur in seltenen Fällen in den Dörfern ankommen, die während der Rallye in einer Staubwolke verschwinden. Das ist freilich kein Problem der Veranstalter, sondern der afrikanischen Politik. Das Hauptquartier der Rallye Dakar in Paris verweist auf zusätzliche Entwicklungshilfe. 225 000 Euro für drei Jahre zahlt die Rallyeorganisation, um im Senegal Umweltprojekte wie Aufforstung oder Abfallverwertung zu fördern. Im nächsten Jahr sollen auch Mali und Mauretanien etwas von der Hilfe abbekommen.

Die Unterschiede zwischen Afrika und der Rallye Dakar scheinen auf den ersten Blick größer zu sein als der zwischen Schnee und Sand. Denn die zwölfte Etappe gewann gestern der Franzose Luc Alphand. 1997 war er noch Weltcupsieger im Skifahren geworden.

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