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Sport: Sie taucht nicht ab

Franziska van Almsick stellt ihr neues Buch vor

Berlin – Einer ragte aus der Menge, einer in einem weißen Hemd und mit einem „Security“-Stoffabzeichen am Ärmel des Hemdes. Der Zwei-Meter-Mann sah aus wie einer dieser US-Polizisten, die im Fernsehen immer so grimmig dreinblicken. So ein Bodyguard war etwas übertrieben, es drohten ja keine Randale in der Buchabteilung des KaDeWe. Aber dass jemand ein bisschen aufpasst, war schon in Ordnung. Schließlich standen gestern geschätzt 100 Menschen an, um sich von Franziska van Almsick ihr neues Buch „Abgetaucht“ (Kiepenheuer-Verlag, 17,90 Euro) signieren zu lassen. Es gab die üblichen Szenen bei einem van-Almsick-Auftritt: Kameraleute, Fotografen, Journalisten, Fans.

Aber die Leistungssportlerin van Almsick gibt es seit den Olympischen Spielen nicht mehr, dafür tritt jetzt die Autorin van Almsick kurz auf, eine neue Rolle für die 26-Jährige. „Ich habe mir einiges von der Seele geschrieben“, sagte sie. Aber sie erklärte auch: „Das Schreiben war keine Therapie.“ Ihre Therapie sah anders aus. 1998 begann sie mit der Psychotherapeutin Friederike Janosfske zu arbeiten. Van Almsick: „Das war meine Rettung.“ Denn die Weltklasse-Schwimmerin litt seit Ende 1995 unter massiven Essstörungen. Sie knabberte an manchen Tagen nur ein paar Salzstangen und aß einen halben Apfel, litt unter dem Hungergefühl und fühlte sich trotzdem zufrieden. Doch ihre Kraft nahm immer mehr ab. Es fiel lange nicht auf, weil Schwimmerinnen möglichst leicht sein müssen. Aber Regine Eichhorn, damals nur van Almsicks Betreuerin, bemerkte zunehmend irritiert, „dass Franziska ständig das Essen thematisierte“. Die 1,80 Meter große Schwimmerin wog zeitweise nur noch 60 Kilogramm. In diesem körperlichen Zustand bereitete sich van Almsick auf Olympia 1996 vor und gewann trotzdem noch Silber über 200 Meter Freistil. Sie erzählt viel davon in ihrem Buch.

Diese Essstörungen waren die Reaktionen auf den enormen Druck, unter dem sie stand. Deshalb trafen sie die Diskussionen um ihr angebliches Übergewicht vor den Olympischen Spielen 2000 so sehr. „Das war tödlich“, sagt Regine Eichhorn, seit ein paar Jahren van Almsicks Managerin. „Ich habe diese Probleme auch geschildert, um eine Botschaft zu verkünden“, sagt van Almsick. Die Botschaft lautet: Wer Essstörungen hat, soll sich professionell behandeln lassen.

Jetzt ist von Franziska van Almsick der Druck abgefallen. Sie wird keine Wettkämpfe mehr bestreiten. Höchstens, wenn ihr Verein SG Neukölln sie noch bei den deutschen Mannschaftsmeisterschaften benötigt, wird sie es sich noch einmal überlegen. Das neue Leben der Franziska van Almsick hat begonnen. Athen, der fünfte Platz über 200 Meter Freistil, ist abgehakt. Jedenfalls als großes Trauer-Thema. „Sie hat das relativ schnell verkraftet, sie ist ja seit Sydney menschlich sehr gereift“, sagt Regine Eichhorn.

Sie machte nach Athen drei Wochen Urlaub, aber sie tauchte nicht ab auf irgendeine Südseeinsel wie noch 2000. Stattdessen macht sie Pläne für die Zukunft. Besser gesagt: Sie holt die alten Pläne wieder hervor. Die Ideen hat sie schon lange, aber es blieben Ideen. Sie musste trainieren, sie hatte keine Zeit, sich um anderes zu kümmern.

Aber jetzt konzentriert sie sich auf drei Projekte: eine Schwimmakademie, die Zusammenarbeit mit einer Designermode- und Schuh-Firma und die Aktion „Fair feels good“, ein Projekt das um faire Preise für Bauern und Arbeiter in der Dritten Welt kämpft. Franziska van Almsick liegt dieses Projekt am Herzen. Aber bisher hatte Sie einfach keine Zeit. Sie musste sich in ihren freien Stunden ja auch noch um ihr Buch kümmern. Seit November 2003 arbeitete sie daran. Erst half ihr ein Ghostwriter, aber der traf nicht den richtigen Ton. Irgendwann erkannte Franziska van Almsick: „Der versteht mich nicht.“ Dann schrieb sie vier Seiten allein und schickte sie dem Verlag. Dort war man sehr beeindruckt. Schreib’ den Rest auch allein, sagte man ihr. Also tippte die Olympiazweite von 1992 und 1996 jede Zeile in den Laptop. Nur ein erfahrener Lektor überprüfte den Text noch einmal.

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