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Sport: Sieg verspielt

Deutschland und Frankreich trennen sich 29:29

Koper. Daniel Stephan wusste nicht so recht, ob er sich freuen sollte. Nach Lachen war ihm jedenfalls nicht zumute. Schließlich hatte er sich gerade einigermaßen von einer Gehirnerschütterung erholt, die ihn an diesem Abend in der Bonifika-Halle von Koper zum Statisten degradiert hatte. Und als die Schlusssirene ertönte, musste Stephan mit seinen Mannschaftskameraden registrieren, dass ihnen ein fast schon sicher geglaubter Sieg noch entglitten war. Zwei Minuten vor dem Abpfiff führte Deutschland im wegweisenden Spiel der 6. Handball-Europameisterschaft 29:26 gegen Frankreich - am Ende aber hieß es 29:29 (14:13).

„Schade, da waren wir in der Schlussphase nicht clever genug“, sagte Bundestrainer Heiner Brand. Stephan, der Lemgoer, sah nicht allzu viel vom Spiel. Mitte der ersten Halbzeit rammte ihm einer der weltbesten Abwehrspieler, Didier Dinart, den Ellbogen ins Gesicht. Der in Spanien spielende Franzose, nur in der Deckung eingesetzt, ist ohnehin alles andere als schmächtig, wenn er dann noch zu unfairen Mitteln greift, hat sein Gegenspieler nichts zu lachen. Stephan ging jedenfalls zu Boden, ließ sich danach mit Eisbeuteln die lädierte Stelle kühlen. Doch in der Pause lag er auf der Pritsche und war kaum ansprechbar. Später kam er noch einmal aufs Spielfeld, doch nur für Sekunden. „Es ging nicht mehr, ihm war immer noch schwindlig“, berichtete Brand.

Ehe Stephan ausschied, hatte er nicht ein einziges Tor erzielt. Wie ohnehin auf den gegen Polen so starken Rückraumblock des Deutschen Meisters diesmal nicht zu bauen war. Kapitän Markus Baur, gegen die Polen noch zwölffacher Torschütze, erzielte in der 23. Minute seinen ersten Treffer – per Siebenmeter. Und sein Vereinskamerad Volker Zerbe brachte gerade mal ein einziges Tor zustande. Da mussten andere einspringen. Vor allem Christian Schwarzer, der schwergewichtige Kreisläufer. Immer wieder warf er sich wuchtig ins Getümmel, gegen eine Abwehr, die eine der besten des Kontinents ist. Sieben Tore warf der Lemgoer und hatte damit maßgeblichen Anteil, dass die Deutschen, von den vielen Fans immer wieder nach vorn getrieben und mit dem Plakat „Holt keinen Spuk, seht keine Geister – Deutschland wird Europameister“ ermuntert, oft mit drei Toren führten. Jeweils sechs Tore erzielten Rechtsaußen Florian Kehrmann, gerade zu Deutschlands Handballer des Jahres gewählt, und Pascal Hens.

Dass es am Ende doch nicht zum Sieg reichte, lag zum einen an Nikola Karabatic, der kaum zu bremsen war und zehn Tore für die Franzosen erzielte – auch das letzte zum 29:29-Ausgleich, und zwar per Siebenmeter, genau 19 Sekunden vor Schluss. Es lag aber auch an den portugiesischen Schiedsrichtern Antonio Goulao und Jose Macau. Die beiden fällten in der Schlussphase höchst fragwürdige Entscheidungen. „So was habe ich noch nicht erlebt. Die haben uns ja völlig verpfiffen“, schimpfte Christian Schwarzer. Und der Bundestrainer fügte hinzu: „Da gab es einige höchst zweifelhafte Pfiffe gegen uns. Ich weiß nicht, ob es Betrug war, aber ich fühle mich betrogen.“ Brand hatte zwischendurch wegen einiger Reklamationen die Gelbe Karte gezeigt bekommen. Trotz des letztlich entgangenen Sieges macht das gestrige Spiel Mut für die Hauptrunde, die morgen in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana beginnt. Nach dem missglückten Auftakt gegen Serbien-Montenegro war kaum mit einer derartigen Leistungssteigerung zu rechnen.

„Wir haben heute gezeigt, wozu wir fähig sind“, sagte Brand. Gewiss, die Franzosen hatten von Turnierbeginn auf ihr Ass Jackson Richardson verzichtet, mussten auch noch den Handbruch von Jérôme Fernandez verkraften, doch so wie sie zuvor aufgetrumpft hatten, galten sie gestern gegen den Vizeweltmeister als Favoriten. Und die Revanche für die Niederlage im letzten WM-Halbfinale ist ihnen auch nur zur Hälfte geglückt.

Das Remis hat für die Deutschen recht begrenzten Wert. Es ist der einzige Punkt, den die Deutschen mit in die Hauptrunde hinübernehmen, da die zuvor besiegten Polen ausgeschieden sind. Die Gegner in dieser Hauptrunde, zu der Deutschland heute von Koper nach Ljubljana umzieht, sind Gastgeber Slowenien, Ungarn und Tschechien. „Nun wird es schwer mit dem Halbfinale. Über den Titel machen wir uns zur Zeit jedenfalls keine Gedanken“, sagte Brand.

Klaus Rocca

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