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Der Wettkampf lief gut für Francès Herrmann, nur eine Chinesin war besser.

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Silber bei den Paralympics: Francés Herrmann überrascht sich selbst

Francés Herrmann erkrankte in der Vorbereitung auf die Spiele an Corona. Mit der Silbermedaille hatte sie gar nicht gerechnet.

Mit Silber hat niemand gerechnet – nicht einmal sie selbst. „Ich habe mich mit dem Thema Siegerehrung überhaupt nicht auseinandergesetzt“, sagt Francés Herrmann unmittelbar nach dem Wettkampf. Man hört ihr die Aufregung noch an. Aber jetzt muss sie erst einmal weiter. Ihren Trainer finden und das Handy, um mal bei ihrer Mutter nachzuhorchen. Denn die hatte versprochen, bei einer Medaille im See baden zu gehen. Dort regne es gerade bei 16 Grad, sagte Herrmann.

Die Speerwerferin hat am Sonntag bei den Paralympics den zweiten Platz belegt (Startklasse F34). Ganze 17,72 Meter weit flog der Speer der Cottbusserin. Nur die Chinesin Zou Lijuan warf weiter, sie kam auf etwas mehr als 22 Meter. Und jetzt? Steht die Cottbusserin im Stadion in Tokio und scheint ihre Emotionen erst einmal ordnen zu müssen. Das ist auch nur verständlich, denn auf Herrmanns „Weg nach Tokio“ ist so einiges passiert.

„Es war sicherlich keine einfache Vorbereitung“, sagt die 32 Jahre alte Herrmann. Das stimmt, ist aber eine erstaunlich nüchterne Aussage, für das, was sie erlebt hat. Im Frühjahr 2021 erkrankten Herrmann und ihr Sohn Henry an Corona. Über mehrere Wochen hinweg saßen die beiden zu Hause. Für den Sohn fiel die Kita aus, für Herrmann einiges an Training. Ihr 17,72-Meter-Wurf während des Wettbewerbs war ihr bester der Saison. Vorgenommen hatte sie sich aber eigentlich etwas anderes: „Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, 18 Meter weit zu werfen“, sagt Herrmann. Das hat – die Chinesin ausgenommen – aber niemand geschafft.

Ihrem Sohn will Herrmann ein Vorbild sein

Dass die Paralympics verschoben wurden, kommt der Cottbusserin ein wenig zugute. Ihren Sohn Henry brachte sie nämlich Anfang 2020 auf die Welt. Im Sommer 2020 an den Spielen teilzunehmen, wäre kaum möglich gewesen. Der Kleine ist nicht mit in Tokio, sondern gerade bei der Mutter von Francés Herrmann und seiner Urgroßmutter. Ob Henry wohl weiß, warum sich diese beiden am Sonntagnachmittag so gefreut haben? Seit der Geburt von Henry geht es Francés Herrmann der eigenen Aussage nach jedenfalls viel besser – auch im Sport.

Manchmal, so erzählte Herrmann Anfang August dem Tagesspiegel, sei Henry auch mal beim Training dabei und schleppe Übungsmaterialien. Aus reiner Freude. Ihrem Sohn will Herrmann ein Vorbild sein. Und dass die Speerwerferin es jetzt zu einer Medaille geschafft hat, bestätigt sie nicht nur als Athletin. „Ich habe gezeigt, dass ich das kann, auch als Mutter“, sagt Herrmann nach dem Wettkampf.

Der Wettkampf lief gut für Herrmann, bis die Chinesin mit jedem ihrer Würfe Herrmanns Bestleistung toppte. Die Finnin Marjaana Heikkinen wurde Dritte. Sie warf den Speer 17,47 Meter weit. Herrmann sagt: „Die Finnin war Europameisterin, ich Vize. Wir battlen uns immer so ein wenig.“ Dieses eine Battle hat Herrmann am Sonntag gewonnen.

Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier.

Max Fluder

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