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Deutscher Lichtblick. Die 35 Jahre alte Andrea Henkel fährt aus dem Tunnel auf Platz zwei. Foto: dpa

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Sport: Silber nach dem Liebesentzug

Andrea Henkel holt die erste deutsche Medaille bei der Biathlon-WM – und kündigt ihr Karriereende an.

Weil die Mikrofone im Zielraum offen waren, konnten es alle hören. „Glück gehabt, Alte“, sagte der Pressesprecher des Deutschen Skiverbandes zu Andrea Henkel. Die 35-jährige deutsche Biathletin hatte eine Wette mit Stefan Schwarzbach laufen: Wenn sie nicht eine Einzel-Medaille bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Nove Mesto gewinnt, muss sie in ein Kostüm der beiden Weltmeisterschaftsmaskottchen „N“ und „M“ schlüpfen. Es bleibt ihr erspart.

Andrea Henkel lief im Schneetreiben von Nove Mesto hinter der norwegischen Siegerin Tora Berger beim Biathlon-Klassiker über 15 Kilometer auf Platz zwei. Es war nicht nur für sie eine Erleichterung, sondern für das gesamte deutsche Team. Im sechsten Wettbewerb gab es endlich die erste Medaille. Henkel aber hatte nach ihrem Rennen auch eine traurige Nachricht parat. Sie werde nach der olympischen Saison 2014 ihre Karriere beenden. Sie wird fehlen. Am Donnerstag war Andrea Henkel eine von nur drei der insgesamt 116 Starterinnen, die mit null Fehlern über die Runden kam. „Ich dachte mir, dass ich im Einzel die größte Chance auf eine Medaille habe – und diese Chance hab’ ich genutzt.“

Als sie um kurz nach halb sieben über die Ziellinie schlitterte, stieß Henkel als Zeichen ihrer inneren Genugtuung kurz die rechte Faust nach vorne. Die Erleichterung stand der kleinen Thüringerin ins Gesicht geschrieben – auch wenn sie später auf der Pressekonferenz nüchtern erklärte: „Ich würde nicht sagen, dass das meine wichtigste Medaille ist. Das ist eine ganz nette Geschichte – aber die haben andere meiner Medaillen auch.“

Dabei hat sich Henkels persönliche Erfolgsbilanz der letzten Jahre auf regelmäßig errungenes Edelmetall in Frauen- und Mixedstaffeln beschränkt. In einem Einzelwettbewerb aber hatte sie seit der WM 2008 keine Medaille mehr abbekommen. Diese Last beschwerten Henkels Kopf und Beine von Winter zu Winter mehr.

Im Sprint am Samstag war Henkel zum dritten Mal in Folge mit Platz 33 neben der Spur gelegen, ebenfalls zum dritten Mal in Folge genügte ihr tags darauf selbst ein grandioses Verfolgungsrennen nicht, um eine Medaille zu erringen. Der unschöne Hattrick der Jahre 2011 bis 2013 hatte den Frauen-Bundestrainer nachdenklich gemacht. „Nach dem Sprint habe ich mir überlegt, welche Ansprache ich wählen soll“, sagte Gerald Hönig, „sie wieder in den Arm nehmen und trösten – ich wusste nicht, ob das so richtig ist“.

Hönig entschied: Diesmal wird nicht in den Arm genommen, sondern mit einer gewissen professionellen Kühle nur das Allerwichtigste besprochen. „Vielleicht war das intuitiv richtig“, sagte der Oberhofer Trainer lächelnd über seinen erfolgreichen Liebesentzug. Wenige Minuten nach Henkels letztem fehlerfreiem Schießen waren Hönig noch Tränen der Freude in die Augen geschossen. „Ich weiß, was sie in den vergangenen Jahren investiert hat und wie sie teilweise unglücklich an einem Podestplatz vorbei gelaufen ist. Deshalb freue ich mich so wahnsinnig für sie.“

Und als der sehr persönliche Teil abgehakt war, widmete sich Gerald Hönig dem großen Ganzen. Der Bundestrainer sagte: „Diese Medaille wird eine Erleichterung für die ganze Mannschaft sein.“

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