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Mitläufer gesucht. Der Deutsche Ski-Verband hat einige Projekte gestartet, um mehr Nachwuchs für die Skisportarten zu begeistern.

© dpa

Ski Nordisch: Einsatz im Kindergarten

Die nordischen Ski-Disziplinen rekrutieren ihren Nachwuchs hauptsächlich in den Ski-Hochburgen im Erzgebirge, Schwarzwald und Bayern - doch selbst dort lautet die Schlüsselfrage mittlerweile: Wie halten wir die Jugend im Skisport?

Von Johannes Nedo

Jochen Behle muss lachen. Natürlich ziehen Erfolge am meisten, sagt der ehemalige Langlauf-Bundestrainer. Aber selbst wenn bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften, die am Mittwoch im schwedischen Falun beginnen, die deutschen Langläufer völlig sensationell eine Goldmedaille nach der anderen abräumen würden, Massen von Langlauf-begeisterten Kindern würden dann trotzdem nicht zu ihm stürmen. Und abgesehen davon sind diese WM-Titel absolut unrealistisch.

„Wir werden immer Randsportart bleiben“, sagt Behle, der mittlerweile Sportdirektor am Bundesstützpunkt Willingen/Winterberg ist. Und auch in den beiden übrigen nordischen Disziplinen, dem Skispringen und der Kombination, in denen die Deutschen aussichtsreiche Chancen auf Medaillen haben, ist bei einer erfolgreichen WM nicht mit einem neuen Boom zu rechnen.

Behle sieht bei seiner täglichen Arbeit im Hochsauerland, dass es immer herausfordernder wird, eine breite Basis im Nachwuchs zu erhalten. „Es gibt noch gute Talente, aber eben immer weniger“, betont der 54-Jährige. Er klagt nicht. Er ist auch nicht deprimiert. Dass die nordischen Disziplinen ihre Athleten meistens vor allem aus den Hochburgen im Erzgebirge, Schwarzwald oder Bayern generieren, daran wird sich nichts ändern. Doch werden sie es dort auch in Zukunft noch schaffen? Angesichts von immer mehr Freizeit-Alternativen für Kinder und Jugendliche? Ausgesprochen hip sind die Disziplinen bei all der Tradition ja auch nicht.

Für Karin Orgeldinger gibt es auf diese Fragen nur eine Antwort: Ja, natürlich! Die 46-Jährige ist beim Deutschen Ski-Verband (DSV) Sportdirektorin für den nordischen Bereich, also qua Amt Optimistin. „Die nordischen Disziplinen haben eine gute Zukunft“, sagt sie. „Unsere Sportarten sind nach wie vor attraktiv. Das ist nicht unser Problem.“ Allerdings sieht Orgeldinger auch: „Wir werden immer wieder mit Wellen zu kämpfen haben. Und wir werden mal schwächere Jahrgänge überbrücken müssen.“ Die Stützpunkte in Altenberg und Winterberg drohten sogar schon, geschlossen zu werden, weil die Kader dort zu klein waren. „Aber wir haben neue Zielvereinbarungen für die nächsten zwei Jahre beschlossen, um dem entgegenzuwirken“, sagt Orgeldinger.

Nachwuchs-Aussichten: Weder hoffnungslos noch euphorisch

Fragt man bei den regionalen Verbänden nach, wie die Nachwuchs-Aussichten vor Ort sind, beschreiben die Verantwortlichen eine ambivalente Situation. Sie sind alles andere als hoffnungslos, sie dramatisieren nicht, aber wirklich euphorisch sind sie auch nicht. Stefan Wirbser, Präsident des Skiverbands Schwarzwald, berichtet davon, dass die Teilnehmerzahlen bei Wettkämpfen um etwa 20 Prozent zurückgegangen seien – im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt. „Hinzu kommt, die Disziplinen sind nun mal sehr zeitintensiv“, sagt Wirbser. Da auch die Schule deutlich mehr Zeit einnimmt, wird es für Jugendliche dadurch immer schwieriger, den Sport intensiv zu bestreiten. Auch der finanzielle Aufwand könnte abschrecken. „Eine Saison kostet eine Familie zwischen 5000 und 8000 Euro“, sagt Wirbser.

Lehren hat daraus auch Orgeldinger gezogen. „Wir müssen uns noch intensiver kümmern und müssen die Eltern stärker miteinbeziehen“, betont die DSV-Sportdirektorin. „Der Aufwand ist entsprechend höher.“ Umso genauer schaut der Verband auf die Entwicklungen in den Ski-Klubs. Und dabei hat der DSV laut Orgeldinger festgestellt: „Es fangen immer noch viele Kinder in den Vereinen an, aber die Austrittsquote ist im Vergleich zu früher etwas höher.“ An diesem Punkt will der DSV nun ansetzen und gegensteuern. Orgeldinger sagt: „Die Schlüsselfrage lautet: Wie halten wir sie im Skisport?“

Der Verband hat dafür einige Projekte gestartet, und die funktionieren auch gut. Beim Skiverband Sachsen (SVS) sind sie zum Beispiel sehr zufrieden mit Grundschulwettbewerben. „Dass nordische Disziplinen nicht die angesagtesten sind, stört in dem Alter gar nicht“, erzählt SVS-Generalsekretär Ronny Kaiser. Es gehe darum, die Kinder so früh wie möglich für Wintersport zu begeistern. Daher kooperiert der SVS sogar schon mit Kindertagesstätten. „Die Nachwuchsarbeit ist auch in den Zentren kein Selbstläufer mehr“, sagt Kaiser. Ebenso betont Wirbser vom Skiverband Schwarzwald: „Die Vereine müssen auch mehr mit Ganztagsschulen kooperieren.“ Er sieht diese Form der Talentförderung als einzige Chance.

Jochen Behle findet, die aktuelle Situation könnte sogar Kinder anspornen. Wer schnell in einer Sportart in die nationale Spitze kommen möchte, müsste einfach nur Langläufer werden: „Es gibt ja nur so wenige.“

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