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Sport: Skifahren unter Palmen

Der russische Badeort Sotschi wird für mehr als 20 Milliarden Euro umgebaut – die Winterspiele 2014 sollen schließlich sogar Pekings Bombast übertreffen.

In London ist das olympische Feuer erloschen, im russischen Sotschi wird es am 7. Februar 2014 neu entzündet. Präsident Wladimir Putin war, als die Vergabe der Winterspiele 2006 in Guatemala in die Endrunde ging, höchstselbst in den Ring gestiegen. Sein womöglich stärkster Trumpf: Nie zuvor fanden Winterspiele unter Palmen statt. Von der fast mediterranen Vegetation der östlichen Schwarzmeerküste bis in die steil ansteigenden, tief verschneiten Berge des Nordwestkaukasus sind es nur wenige Kilometer. Der zum Chefkoordinator ernannte Vizepremier Dmitri Kosak muss sich, als die Vorbereitungen begannen, dennoch leicht überfordert gefühlt haben.

Vermüllte Strände, sowjetische Service-Mentalität, ganze Stadtviertel ohne Kanalisation, ein Stromnetz, das bei der geringsten Belastung zusammenbrach, hoffnungslos überfüllte Busse auf holprigen Straßen als wichtigstes Fortbewegungsmittel und ein verträumter Flughafen, nicht im mindesten gerüstet für den Ansturm von mehreren Millionen Touristen. So sah die „Perle der kaukasischen Schwarzmeerküste“, wie Sotschi sich in rührend unbeholfener Eigenwerbung feierte, vor dem ersten Spatenstich für Olympia aus. Und eine ganze Weile danach noch viel schlimmer. Millionen Kubikmeter Erdreich mussten bewegt werden, um die Stadt olympiatauglich zu machen. Damals brauchte man viel Phantasie, um sich staufreie Hochstraßen, ein Netz von elektrisch betriebenen Schnellbahnen zwischen Stadt und Wettkampfstätten oder olympische Objekte mit Barrierefreiheit vorstellen zu können. Ein Wort, das die meisten Bewohner von Sotschi vor der Olympiabewerbung gar nicht kannten.

Inzwischen hat die Stadt einen neuen Bahnhof und einen modernen Flughafen. Die Hochhäuser des Olympischen Dorfes stehen ebenfalls schon. Die Montage der Seilbahnen, die zu den alpinen Wettkampfstätten im neuen Wintersportzentrum Rosa Chutor in Krasnaja Poljana, einem malerisch in den Bergen gelegenen Skiparadies, führen, läuft auf Hochtouren. Die Schanzen sowie die meisten Loipen und Pisten sind bereits fertig, im Februar und März liefen dort schon erste internationale Wettkämpfe. Und im September öffnet auch die Russische Internationale Olympische Universität ihre Pforten. Deren Studienprogramm wurde während der Spiele in London vorgestellt.

Alles laufe nach Plan, erklärten Kreml und Regierung, ein Chaos wie etwa in Athen 2004 sei nicht zu befürchten. Nur mit dem Olympiastadion, das eine noch bombastischere Eröffnungsfeier erleben soll als Peking 2008, gibt es Probleme. Es gäbe Verantwortliche, warnte Alexander Piskunow vom Rechnungshof in einem von der regierungsnahen „Iswestija“ abgedruckten Brief an Chefkoordinator Kosak, die die Arbeiten am neuen Stadion mit 45 000 Plätzen absichtlich schleifen ließen, um bei der Regierung noch mehr Geld lockerzumachen.

Umgerechnet 24 Milliarden Euro verschlang die Vorbereitung der Spiele bereits. Ein Rekord. Schuld ist vor allem Russlands Erbsünde: die Korruption. Finanzielle Mauscheleien, Zwangsumsiedlungen von mehreren tausend Einwohnern zu für sie ungünstigen Konditionen, die nahe Grenze zu Georgiens abtrünniger Region Abchasien und irreversible Schäden für die Umwelt in bislang unberührten Bergregionen hatten von Anfang an für massive Kritik an Sotschi als Austragungsort der Spiele gesorgt. Umweltaktivisten mussten zwar Fortschritte einräumen, die Maßnahmen gehen ihnen jedoch nach wie vor nicht weit genug.

Und bei den russischen Bürgern hält sich die Olympia-Begeisterung ebenfalls in Grenzen. Auch, weil Russland bei den letzten Spielen weit hinter den Erfolgen zurückblieb, den einst die sowjetischen Mannschaften einfuhren.

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