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Vorfreude auf das Comeback. Gregor Schlierenzauer.

© dpa/Karmann

Skispringer Gregor Schlierenzauer: Der Getriebene kehrt zurück

Comeback des Superstars im Skispringen: Der sechsmalige Weltmeister Schlierenzauer kehrt nach über einem Jahr Pause auf die Schanze zurück.

Von Johannes Nedo

Seine Inszenierung beherrscht Gregor Schlierenzauer noch immer perfekt. Er weiß, es braucht nur ein paar kleine Kniffe – und schon kann man etwas sehr bedeutungsschwanger aufladen. So ist es auch mit dem Trainingsvideo, das der Österreicher nun zur Einstimmung auf seine Rückkehr auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte. In dem einminütigen schwarz-weiß Filmchen absolviert er Kraftübungen mit Langhanteln und hüpft von einem Sprungkasten. Absolute Routine. Weil das aber mit dramatischer Klaviermusik unterlegt ist und dazu die Zeilen „I am gonna make it“ geschmettert werden, mutet es wie der Vorspann eines emotionalen Comeback-Rührstücks an.

Seiner Wirkung ist sich Schlierenzauer jedenfalls bewusst. Denn auch wenn seine Rückkehr in den Wettkampfbetrieb nicht mit früheren Comebacks eines Michael Jordan oder Michael Schumacher zu vergleichen ist, für das Skispringen ist es schon eine große Sache. Schlierenzauer war einst das Wunderkind seines Sports, mittlerweile ist er ein Superstar – und einer der erfolgreichsten Skispringer überhaupt. Er ist sechsmaliger Weltmeister, Olympiasieger mit der Mannschaft, zweifacher Vierschanzentournee-Sieger, zweimal triumphierte er im Gesamtweltcup und mit 53 Weltcups gewann er so viele wie kein anderer Skispringer – dabei ist er gerade erst 27 Jahre alt geworden.

Am Samstag wird der Tiroler im polnischen Wisla nun seinen ersten Weltcup seit mehr als einem Jahr bestreiten. Und diese Pause hatte es für ihn in sich. Am 3. Januar 2016 in Innsbruck war er in seinem bisher letzten Wettbewerb angetreten und an seiner Heimschanze am Bergisel kolossal gescheitert. Er landete auf Platz 31, schied im ersten Durchgang aus und verkündete danach genervt, dass er erstmal eine Auszeit nehmen würde.

„Ich hatte eine schwere Sinnkrise, stand vor einer schwarzen Wand. Da ist es mir teilweise wirklich nicht gut gegangen“, sagte Schlierenzauer im österreichischen Fernsehen über seine Situation vor einem Jahr. „Ich habe nicht mehr gewusst, was ich tun soll. Wer ich bin, was ich will, was ich kann, was mir am Ende des Tages Energie gibt.“

Im März vergangenen Jahres erlitt er den nächsten Rückschlag: Kreuzbandriss beim Skifahren

Schlierenzauer suchte Abstand vom Skispringen. Doch dann erlitt er den nächsten Rückschlag. Im März zog er sich beim Skifahren in Kanada einen Kreuzbandriss zu. „Ich lag im Tiefschnee, mir war schlecht vor Schmerzen – und ich fragte mich: Wieso ich?“, sagt Schlierenzauer. In gewisser Weise half ihm die schwere Verletzung aber sogar. „Jetzt bin ich dankbar für das, was geschehen ist. Die Verletzung war in dem Sinne gut, dass sie mir ausreichend Zeit gab, Dinge reifen zu lassen. Jetzt habe ich zum ersten Mal vom Leben gekostet.“

Die lange Pause gab ihm den Anstoß, seine Sportart komplett anders anzugehen. Er absolvierte eine Ausbildung zum Skisprungtrainer sowie zum Mentalcoach – und ist nun nicht mehr so verbissen. Seitdem er 16 Jahre alt war, zählten für ihn im Weltcup nur Siege und Punkte. „Ich habe in meiner Karriere dem Erfolg viel geopfert. Teilweise habe ich mich verloren, manchmal habe ich mir zu viel angemaßt“, sagt er. Und bei dieser pausenlosen Jagd nach noch mehr Ruhm wurde er immer mehr zum Einzelgänger unter den Skispringern. Auch innerhalb der österreichischen Mannschaft gehörte er wohl nicht zu den teamfähigsten Athleten. Aber das hat sich offenbar geändert. „Du spürst, dass er vom Menschlichen ein anderer Typ geworden ist“, sagt Österreichs Nationaltrainer Heinz Kuttin.

Diesen Wandel führt der 46-Jährige vor allem darauf zurück, dass Schlierenzauer während seiner Pause wieder an das Skigymnasium Stams ging, um dort gemeinsam mit Nachwuchsathleten zu trainieren. „Dadurch hat er extrem viel gelernt. Er war ja sehr ehrgeizig, wollte immer der Schnellste und Weiteste sein“, sagt Kuttin. „Jetzt kommt er schon mit einem Grinsen vom Aufwärmen, früher hatte er da immer einen Tunnelblick.“

Mit all seiner neuen Motivation und Lockerheit will Schlierenzauer jedoch wieder Vertrautes erreichen. „Ich bin ein positiv Getriebener. Das habe ich auch nicht verloren“, sagt er. „Deshalb ist es das Ziel, irgendwann wieder ganz oben zu stehen.“ Und natürlich wird ihm dazu auch die entsprechende Inszenierung gelingen.

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